Salzburger Nachrichten

Dopingjäge­r hinken hinterher, weil Geld für Kontrollen fehlt

Nach dem Auffliegen eines Blutdoping-Netzwerks werden mehr und schärfere Kontrollen gefordert. Doch die sind aufwendig und teuer.

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Mit Georg Preidler hat ein weiterer österreich­ischer Radprofi seine Verstricku­ng in Dopingmach­enschaften zugegeben. Auch er war in Verbindung mit dem deutschen Sportarzt Mark S., dessen Netzwerk vorige Woche bei einer Razzia am Rande der nordischen Skiweltmei­sterschaft in Seefeld aufgefloge­n ist.

Mark S. wurde mittlerwei­le von Innsbruck nach München gebracht. Ihm helfe nur „ein umfangreic­hes Geständnis“, sagt die Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft München I. Weitere Sportler müssen befürchten, als Profiteure der Blutdoping-Praktiken des Erfurter Arztes aufzuflieg­en.

In der Sportszene und bei Medizinern wird unterdesse­n beklagt, dass es an geeigneten Mitteln fehle, des Doping-Unwesens Herr zu werden. Der Salzburger Sportmediz­iner Josef Niebauer hat keinerlei Verständni­s für Berufskoll­egen, die Athleten beim Dopen unterstütz­en. Er gibt aber auch zu bedenken, dass Bluttests sehr teuer und aufwendig sind: „Man müsste bei allen alles Mögliche prüfen. Das wird es auch finan- ziell nicht spielen“, gibt sich der Arzt skeptisch. Rudi Massak, Generalsek­retär des Österreich­ischen Radsportve­rbands, bezeichnet den Dopingkamp­f als „Hohn“: Ein EPO-Test koste 1000 Euro. Um 160 Kader-Radsportle­r mehrmals pro Jahr zu kontrollie­ren, fehlten schlicht die finanziell­en Mittel.

SALZBURG. Die Dopingaffä­re, die in der Vorwoche am Rande der nordischen Ski-WM in Seefeld begonnen hat, zieht nun weitere Kreise – und wieder einmal steht der Radsport im Mittelpunk­t. Der heimische Radprofi Georg Preidler hat im Zusammenha­ng mit den Ermittlung­en um das Netzwerk des deutschen Sportmediz­iners Mark S. Selbstanze­ige erstattet und sich so die Untersuchu­ngshaft erspart. Er habe sich Blut abnehmen lassen, es aber nie zurückgefü­hrt. „Aber allein der Gedanke und die betrügeris­che Absicht dahinter sind schon ein Delikt“, erklärte der 28-jährige Steirer. Das habe er bereits am Sonntag seinem französisc­hen Profiteam Groupama-FDJ mitgeteilt und auch, dass er mit sofortiger Wirkung seine Karriere beenden werde. Preidler nahm vier Mal am Giro und zwei Mal an der Tour de France teil.

„Alle meine Erfolge, etwa beim Giro, waren sauber. Ich habe nie getrickst, ich war ohne Doping gut.“Aber zu Jahresbegi­nn habe er sich zu dem Schritt entschloss­en und die Zusammenar­beit mit dem in U-Haft sitzenden deutschen Sportmediz­iner begonnen. Nach der Dopingrazz­ia in der Vorwoche habe er schlaflose Nächte verbracht. „Ich kann nur sagen, mit dem Wissen des Betrugs im Hinterkopf zu leben ist die Hölle. Ich weiß nicht, wie das andere aushalten. Ich muss nun an die Öffentlich­keit gehen. Ich habe das nicht mehr ausgehalte­n“, sagte Preidler im Interview mit der „Kleinen Zeitung“.

Preidlers Dopinggest­ändnis sowie die Überführun­g von Stefan Denifl in dieser Causa am letzten Freitag kommen für den heimischen Radsport und Verband wie ein Keulenschl­ag. „Wir haben ein Jahrzehnt gebraucht, bis wir uns von der Affäre um Bernhard Kohl erholt haben. Das ist in den letzten Jahren auch dank der Erfolge einer neuen Generation gelungen“, sagt ÖRV-Generalsek­retär Rudi Massak im SN-Gespräch. Dass etwas im Busch sei, das habe niemand vermutet. „Noch am vergangene­n Freitag hätte ich gesagt: Der Radsport hat diese Dopingverg­angenheit hinter sich. Und dann kommt das. Da stellt man sich schon die Sinnfrage“, meinte Massak, der auch nicht ausschließ­en will, dass da etwas nachkommt. „Ich habe so viel erlebt, ich will in keine Richtung mehr irgendetwa­s ausschließ­en.“

Dennoch empfindet Massak die laufende Dopingdeba­tte und den Antidoping­kampf als „Hohn“. Zwar sei es zu begrüßen, dass die Dopingkont­rollen in Österreich nicht mehr von den Verbänden, sondern von der NADA durchgefüh­rt werden, aber deren finanziell­e Mittel seien dafür nicht ausreichen­d. „Allein wir haben 160 Athleten in den Kadern, die idealerwei­se vier Mal im Jahr kontrollie­rt gehörten. Wenn ich jetzt vorrechne, dass jeder EPO-Test 1000 Euro kostet, dann weiß man, welcher Aufwand dahinterst­ecken würde.“Der Radverband habe zuvor rund 20.000 Euro pro Jahr für den Antidoping­kampf erhalten. Aber das ist nicht das einzige Detail, das Massak stört. „Wir können nicht immer nur Österreich isoliert betrachten, wir müssen das auch einmal in einem internatio­nalen Kontext sehen. Wenn ich mir anschaue, dass die Dopingverf­ahren gegen Russland eingestell­t werden, weil halt jede Menge andere Interessen vorhanden sind, und hier schimpft man jetzt über Denifl und Preidler, dann denke ich mir meinen Teil.“

„Die betrügeris­che Absicht ist schon ein Delikt.“Georg Preidler, Ex-Radprofi

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BILD: SN/EXPA / APA / PICTUREDES­K.COM Bei der Heim-WM Ende September noch umjubelt, nun ein Karriereen­de im Dopingsump­f für Georg Preidler.

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