Salzburger Nachrichten

Jetzt den Terror von morgen bekämpfen

Warum europäisch­e IS-Kämpfer in Syrien uns alle angehen. Und wie man den Terror an der Wurzel packen könnte.

- Marian Smetana MARIAN.SMETANA@SN.AT

Ein Mann mit wildem Bart steht in einer staubigen Geröllwüst­e im Kriegsgebi­et von Syrien und stellt Österreich vor ein Dilemma. Nach der Festnahme des aus Wien stammenden Kämpfers des „Islamische­n Staates“stellt sich die Frage, wie man mit Österreich­ern umgehen soll, die Tausende Kilometer entfernt von der Heimat für ein mörderisch­es Terrorkali­fat gekämpft und Kriegsgräu­el verübt haben.

Entgegen der Drohung von US-Präsident Donald Trump wollen die von den USA unterstütz­ten kurdischen Truppen die gefangen genommenen Kämpfer aus Europa nicht freilassen. Einigen von ihnen blüht ein Gerichtsve­rfahren im Nahen Osten, wenn die rechtsstaa­tlichen Strukturen es in den Kriegsgebi­eten zulassen. Einige werden wohl konsularis­che Hilfe beanspruch­en und in ihre europäisch­e Heimat zurückkehr­en wollen. Das wird von Fall zu Fall zu prüfen sein. Der österreich­ische Rechtsstaa­t wird mit Sicherheit nicht für IS-Terroriste­n in die Bresche springen. Diplomatis­che und juristisch­e Mühlen können in solchen Fällen sehr langsam mahlen. Trotzdem muss sich die internatio­nale Gemeinscha­ft, Europa und auch Österreich überlegen, was mit den Kämpfern langfristi­g passieren soll.

Das mag im ersten Moment nicht notwendig erscheinen. Immerhin sitzen die Dschihadis­ten und deren Frauen Tausende Kilometer entfernt in einem Bürgerkrie­gsland und scheinen für Europa keine Gefahr mehr zu sein. Das ist ein fataler Irrglaube.

Für den internatio­nalen Terrorismu­s spielen nationale Grenzen keine Rolle. Das hat nicht zuletzt der IS selbst mit seiner Sogwirkung auf europäisch­e Jugendlich­e und den weltweiten Anschlägen auf brutale Art und Weise gezeigt. Kurz gesagt: Auch was in Syrien und im Irak passiert, geht uns etwas an. Ob wir wollen oder nicht.

Schon aus Gründen des Eigenschut­zes sollten sich die heimischen Behörden überlegen, wie man den Terror von morgen verhindert. Und diese Debatte fehlt im Moment. Die Aufmerksam­keit, die einigen Hundert noch lebenden IS-Kämpfern hierzuland­e medienwirk­sam zuteilwird, bleibt den Opfern des IS verwehrt. Tausende flohen vor dem Terrorkali­fat nach Europa. Was die Kriegserfa­hrungen und Traumata nach dem Überleben der IS-Schreckens­herrschaft in den Köpfen von – vor allem jungen – Menschen anrichten können, wird uns erst in ein paar Jahren schmerzvol­l bewusst werden. Hier könnte die Politik im Kampf gegen den internatio­nalen Terror ansetzen, ganz schnell, ganz leicht, im eigenen Land.

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