Jetzt den Terror von morgen bekämpfen
Warum europäische IS-Kämpfer in Syrien uns alle angehen. Und wie man den Terror an der Wurzel packen könnte.
Ein Mann mit wildem Bart steht in einer staubigen Geröllwüste im Kriegsgebiet von Syrien und stellt Österreich vor ein Dilemma. Nach der Festnahme des aus Wien stammenden Kämpfers des „Islamischen Staates“stellt sich die Frage, wie man mit Österreichern umgehen soll, die Tausende Kilometer entfernt von der Heimat für ein mörderisches Terrorkalifat gekämpft und Kriegsgräuel verübt haben.
Entgegen der Drohung von US-Präsident Donald Trump wollen die von den USA unterstützten kurdischen Truppen die gefangen genommenen Kämpfer aus Europa nicht freilassen. Einigen von ihnen blüht ein Gerichtsverfahren im Nahen Osten, wenn die rechtsstaatlichen Strukturen es in den Kriegsgebieten zulassen. Einige werden wohl konsularische Hilfe beanspruchen und in ihre europäische Heimat zurückkehren wollen. Das wird von Fall zu Fall zu prüfen sein. Der österreichische Rechtsstaat wird mit Sicherheit nicht für IS-Terroristen in die Bresche springen. Diplomatische und juristische Mühlen können in solchen Fällen sehr langsam mahlen. Trotzdem muss sich die internationale Gemeinschaft, Europa und auch Österreich überlegen, was mit den Kämpfern langfristig passieren soll.
Das mag im ersten Moment nicht notwendig erscheinen. Immerhin sitzen die Dschihadisten und deren Frauen Tausende Kilometer entfernt in einem Bürgerkriegsland und scheinen für Europa keine Gefahr mehr zu sein. Das ist ein fataler Irrglaube.
Für den internationalen Terrorismus spielen nationale Grenzen keine Rolle. Das hat nicht zuletzt der IS selbst mit seiner Sogwirkung auf europäische Jugendliche und den weltweiten Anschlägen auf brutale Art und Weise gezeigt. Kurz gesagt: Auch was in Syrien und im Irak passiert, geht uns etwas an. Ob wir wollen oder nicht.
Schon aus Gründen des Eigenschutzes sollten sich die heimischen Behörden überlegen, wie man den Terror von morgen verhindert. Und diese Debatte fehlt im Moment. Die Aufmerksamkeit, die einigen Hundert noch lebenden IS-Kämpfern hierzulande medienwirksam zuteilwird, bleibt den Opfern des IS verwehrt. Tausende flohen vor dem Terrorkalifat nach Europa. Was die Kriegserfahrungen und Traumata nach dem Überleben der IS-Schreckensherrschaft in den Köpfen von – vor allem jungen – Menschen anrichten können, wird uns erst in ein paar Jahren schmerzvoll bewusst werden. Hier könnte die Politik im Kampf gegen den internationalen Terror ansetzen, ganz schnell, ganz leicht, im eigenen Land.