Das Französische wird weiblich
In Paris treten die Sprachhüter für eine Feminisierung bestimmter Begriffe ein.
Und sie leben doch, die Unsterblichen. Die Feststellung ist kein Widerspruch in sich. Sie bezieht sich auf die Académie française, die Institution, die laut ihrer Satzung von 1635 die Aufgabe hat, über „die Reinheit und Klarheit“der französischen Sprache zu wachen und ihr „bestimmte Regeln“zu geben, „um sie beredt und fähig zu machen, Künste und Wissenschaften zu behandeln“.
Jetzt haben die vierzig in einem prächtigen Kuppelbau am Pariser Seine-Ufer tagenden Mitglieder der Académie, gemeinhin die Unsterblichen genannt, in einem aufsehenerregenden Bericht grünes Licht zu einer weiter gehenden Feminisierung von Berufsbezeichnungen, Funktionen, Titeln und Dienstgraden gegeben.
Diese Öffnung der Sprache für weibliche Formen sei, wie die französische Zeitung „Le Monde“anmerkt, „nichts weniger als eine Art Revolution“.
Angestoßen wurden die von einer vierköpfigen Kommission vorbereiteten Empfehlungen, die nach den Worten ihres Vorsitzenden Gabriel de Broglie weder theoretischen Charakter noch dogmatischen Zwang haben und von den Akademie-Mitgliedern mit zwei Gegenstimmen angenommen wurden, durch die Teilnahme von Frauen am Berufsleben. Das habe die Erwartung einer sprachlichen Anerkennung ihrer gesellschaftlichen Stellung geweckt, heißt es in dem Bericht. Andererseits wird vor der Annahme gewarnt, eine forcierte sprachliche Entwicklung könne den sozialen Wandel fördern.
Ziel sei es vielmehr, einer wilden Ausbreitung von Bezeichnungen der von Frauen ausgeübten Tätigkeiten vorzubeugen.
Da bleibt vieles der Einsicht überlassen. Lautet die Bezeichnung eines Bürgermeisters (le maire), wenn dieses Amt von einer Frau ausgeübt wird, korrekt „Madame la Maire“oder „Madame le Maire“? Das Pariser Stadtoberhaupt Anne Hildalgo legt Wert auf die Anrede „Madame la Maire“, während manche ihrer Amtskolleginnen weiter auf der männlichen Form bestehen.
Gegen Begriffe wie „auteure“, die feminisierte Form von „auteur“(Autor), sträubten sich manche Akademiker, aber auch an Ersatzformen wie „authoresse“oder „autrice“konnten sie nicht mehr Gefallen finden.
Schwer wird es auch eine Chefin haben, sich als „la chef“, „cheffe“oder „cheve“durchzusetzen. In den Streitkräften, die mit 16,3 Prozent den höchsten Anteil von Soldatinnen in Europa aufweisen, sind „la lieutenante“, „la colonelle“oder „la génerale“längst üblich. Bei manchen Berufen scheitert indes die Feminisierung. An den Arzt, „le médecin“, wird man sich, wenn es sich um eine Frau handelt, nicht als „la médecine“(Heilkunde) wenden können.
Ob sich die Empfehlungen der Académie durchsetzen, bleibt zu sehen. Ihr Ansehen ist groß, aber ihre Autorität begrenzt und die Sprache wird letztlich vom Volk gemacht. Vor einiger Zeit wandte sie sich gegen die um sich greifende sogenannte inklusive Schreibweise, bei der männliche und weibliche Formen einer Berufsbezeichnung aus Gründen der Gleichberechtigung der Geschlechter, wie etwa in „les étudients.e.s“(Student-innen), zu einem Wort verknüpft werden.
Das, so warnte Akademie-Mitglied Gabriel de Broglie, setze die französische Sprache einer „tödlichen Gefahr“aus.