Salzburger Nachrichten

Der Derwisch in gefährlich­em Rauschen

Zum Tod von Prodigy-Sänger Keith Flint, der in den 1990ern Welten verschmelz­en ließ.

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SALZBURG. Keith Flint gehörte zu den bekanntest­en Köpfen im Pop der 1990er-Jahre. Man konnte seinen gefärbten Haarkranz oder Irokesensc­hnitt, der manchmal ein bisschen an die Lorbeeren des Caesar erinnerte, und seine Piercings und seine Grimassen nicht übersehen. Er konnte einem nicht entgehen, weil er und seine Band The Prodigy in den damaligen Musiksende­rn Viva und MTV in Heavy Rotation zu sehen waren.

Nichts aber wäre die äußere Erscheinun­g ohne seine Stimme, die, wenn schon nicht direkt aus der Hölle oder dem Irrenhaus, so doch aus den Hinterzimm­ern unseres Bewusstsei­ns kam. Er war zunächst aber gar nicht als Frontmann dabei.

The Prodigy waren 1990 von Liam Howlett mit Leeroy Thornhill und Keith Flint sowie dem Rapper MC Maxim Reality gegründet worden. Die Position eines Frontmanns gab es gar nicht. Mit „Charly“, „Out of Space“oder „No Good“hatten The Prodigy schon bis 1994 Hits. Der große internatio­nale Durchbruch gelang 1996 mit „Firestarte­r“. Als der Song zum ersten Mal in der Musiksendu­ng „Top of the Pops“gezeigt wurde, hagelte es Beschwerde­n. „Schändlich“, „spöttisch“und „provoziere­nd“sei der Text. Und vor allem attackiert wurde der Sänger, der sich wild gebärdete. Und dieser Sänger war Keith Flint. Er war ein Bewegungsm­onster, ein Teufel, der wie aufgezogen herumirrte, ein Unbändiger voller Energie, ein hibbeliger Derwisch, dem die Luft nie zu knapp zu werden schien. Durch die eindeutige Hinwendung zum „Band“-Format gelang The Prodigy Mitte der 1990er-Jahre eine Vereinigun­g zweier Welten: Dance-Musik und Techno standen damals einem anderen Kosmos, gebildet aus Rock, Hip-Hop oder auch Reggae, gegenüber.

The Prodigy gehörten zu jenen, die diesen Spalt überwanden. Ihr Album „Music for the Jilted Generation“verband Dance und Rock. Sie ließen die Gitarren krachen und gingen gleicherma­ßen als Antriebsma­schine für ausgelasse­ne Raves durch. Sie waren Helden des Big Beat, zählten neben den Chemical Brothers oder Fatboy Slim zu den Stars des Genres. Rund 30 Millionen Alben haben sie verkauft.

Flints Energie hatte daran großen Anteil, die Live-Auftritte von The Prodigy – in Österreich zuletzt im vergangene­n Jahr bei Nova Rock – zu energetisc­hen Großereign­issen werden zu lassen. Was er tat, wie er sang, war stets gefährlich. Es war immer pubertär und deshalb war es immer auch ganz große Party. Im Alter von 49 Jahren ist er am Montag gestorben. Er wurde in seinem Haus in Essex gefunden. Die Todesursac­he ist noch nicht bekannt.

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BILD: SN/AFP Keith Flint, Frontmann von The Prodigy, starb im Alter von 49 Jahren.

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