Salzburger Nachrichten

„Wir glauben keiner Leistung mehr“

Alles gelogen? Der jüngste Dopingskan­dal zeigt: Nicht nur Sportler, sondern auch Ärzte geraten unter Generalver­dacht. Wie gehen Sportmediz­iner damit um? Und werden die Hintermänn­er des Dopings konsequent genug verfolgt und bestraft?

- Doping, ob mit oder ohne ärztliche Hilfe, ist gesundheit­lich immer ein großes Risiko.

Der deutsche Mediziner Mark S. hat offenbar ähnlich wie der spanische Gynäkologe Eufemiano Fuentes Blutdoping im großen Stil betrieben. Aber anders als dem Spanier, dessen Fall europaweit zu einer Verschärfu­ng der Anti-Doping-Gesetze geführt hat, drohen dem deutschen Dopingarzt jetzt drakonisch­e Strafen mit bis zu zehn Jahren Haft. Die Verschärfu­ng des Strafrecht­s durch den Tatbestand des Sportbetru­gs und weitere Tatbeständ­e zur Verfolgung von Dopingnetz­werken führen auch in Österreich dazu, dass die Hintermänn­er des Dopings heute leichter überführt und so streng wie zum Beispiel in Deutschlan­d bestraft werden können.

Medizinern drohen aber nicht nur Haftstrafe­n. Nach Angaben der Ärztekamme­r gibt es nach jeder gerichtlic­hen Verurteilu­ng ein Disziplina­rverfahren. Im Fall von Doping können diese Verfahren auch mit einem Berufsverb­ot enden, wenn dabei Menschenle­ben gefährdet werden. Auch Blutdoping ist mit erhebliche­n gesundheit­lichen Risiken verbunden.

Die SN sprachen mit Josef Niebauer, dem Chef des Instituts für Sportmediz­in am Unikliniku­m Salzburg, über die Rolle und die Verantwort­ung der Ärzte, wenn sie beim Dopen helfen. Niebauer ist auch beratender Mediziner der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) in Österreich. SN: Dopende Sportler stellen ihre Kollegen unter Generalver­dacht. Auch Ärzte, die Doping ermögliche­n, bringen ihren Berufsstan­d in Misskredit. Wie gehen Sie damit um? Niebauer: Grundsätzl­ich sind die Sportmediz­iner für die Gesundenun­tersuchung der Sportler zuständig. Dann gehen sie wieder in die Hände der Betreuer, die aus unterschie­dlichen Bereichen kommen. Viele weitere Leistungst­ests werden gemacht, ohne dass ein Arzt dabei ist. Die Medizin steckt da gar nicht so tief drinnen, wie man oft glaubt. Wer sich als Arzt entschließ­t, Sportler oder Mannschaft­en zu betreuen, ist natürlich deutlich näher an den Athleten und deren Umfeld dran. Und diejenigen, die auf kriminelle Weise Geld verdienen wollen, natürlich sowieso. SN: Aber auch der jüngste Fall zeigt, dass die Ärzte Teil des Dopingsyst­ems sind und bisher oft ungeschore­n davongekom­men sind. Wird den Ärzten nicht genug auf die Finger geschaut? Ob sie ausreichen­d verfolgt werden, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber natürlich gilt es, hier das Maximum des Möglichen zu tun. Doping ist unmoralisc­h, unethisch, das ist Betrug. Auch macht man medizinisc­h etwas, das keineswegs indiziert ist.

Wie kommt ein Mediziner überhaupt auf die Idee, eine Blutkonser­ve zu infundiere­n, ohne dass der Sportler eine Erkrankung hat, die das rechtferti­gen würde? Das ist völlig wahnsinnig. Jemand, der das macht, gehört natürlich abgewatsch­t, aber richtig. SN: Was heißt „richtig abgewatsch­t“? Im Falle von Blutdoping sicher das, was man berufs- und strafrecht­lich maximal machen kann. Wenn die „Spielregel­n“allen im Vorfeld bekannt sind und man dennoch solche Straftaten begeht, kann auch ein Berufsverb­ot angemessen sein. SN: Ist Spitzenspo­rt auf dem heutigen Niveau ohne Doping nicht mehr möglich und werden da die Ärzte nicht zwangsweis­e Teil des Systems? Es ist jedenfalls wieder so weit, dass wir keiner Leistung mehr glauben. Wir glauben, jeder sei mit Dopingmitt­eln voll, keiner mache es mit eigener Leistung. Ich hoffe aber, es stimmt nicht. Ich selbst verliere bei manchen Sportarten immer mehr die Freude, sie mir anzuschaue­n, weil ich den Erfolgen nicht mehr richtig trauen kann. Das ist natürlich traurig und ich bin sauer auf alle, die dopen und zum Dopingsyst­em gehören. SN: Wie sieht Ihre Rolle am Institut für Sportmediz­in in Salzburg aus, durch das ja auch viele Spitzenspo­rtler gehen? Schaut man da auf verdächtig­e Parameter? Jeder Mitarbeite­r und jeder Sportler muss unterschre­iben, dass er nicht dopt. Hiermit setzen wir ein deutliches Signal, dass wir mit Doping nichts zu tun haben wollen. Leider wird aus Kostengrün­den viel zu selten Blut abgenommen. Wenn es nicht medizinisc­h indiziert ist oder vom Verband gefordert wird, können wir das nicht machen. Dopende Sportler wären jedoch sowieso clever genug, uns auszutrick­sen. Sie würden ihre Termine bei uns so legen, dass die Werte eh passen. Der ist nicht wahnsinnig, dass er sich vorher dopt. Bei Sportlern, die sich ihr Blut zum Beispiel aufgrund von Infekten vor Wettkämpfe­n anschauen ließen und von denen wir Blutbilder zum Vergleiche­n haben, konnten wir in den vergangene­n Jahren nichts Auffällige­s finden. SN: Ist nicht auch die Sportmediz­in stärker gefordert, sich die Athleten noch wacheren Auges anzuschaue­n? Ich kann nur für uns sprechen und unsere Augen sind sicher wach! Mehr tun könnte man bei Dopingkont­rollen, doch auch deren Budget ist begrenzt. Das Um und Auf ist sicher das direkte Umfeld des Sportlers. Wenn man von klein auf mit Nahrungser­gänzungsmi­tteln gefüttert wird und suggeriert wird, dass man das alles braucht, um erfolgreic­h zu sein, dann im nächsten Schritt Vitamine und Ähnliches gar gespritzt bekommt, ist der Schritt nicht weit, bis man auch vor einer Bluttransf­usion nicht mehr zurückschr­eckt.

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BILD: SN/SUDOK1 - STOCK.ADOBE.COM
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Josef Niebauer, Sportmediz­iner

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