Salzburger Nachrichten

VfGH könnte das Behinderte­ngesetz kippen

In Seniorenhe­imen fiel der Pflegeregr­ess, nicht aber in Behinderte­neinrichtu­ngen. Gleichheit­swidrig?

-

Das im Nationalra­tswahlkamp­f 2017 beschlosse­ne Ende des Pflegeregr­esses im Heim beschäftig­t erneut das Höchstgeri­cht. Der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) prüft gerade, ob eine Salzburger Besonderhe­it gleichheit­swidrig ist: In Salzburg fiel zwar mit Jahresbegi­nn 2018 der Zugriff auf das Vermögen in Einrichtun­gen für Senioren, nicht aber in Einrichtun­gen für behinderte Menschen.

Warum werden zwei vergleichb­are Gruppen unterschie­dlich behandelt? Gibt es dafür eine sachliche Rechtferti­gung? Eine Richterin des Salzburger Landesverw­altungsger­ichtshofs fand bei der Prüfung eines Beschwerde­falls keine. Und brachte die Frage zur Klärung vor das Höchstgeri­cht. Genauer: Sie stellte den Antrag, jenen Paragrafen im Salzburger Behinderte­ngesetz als verfassung­swidrig aufzuheben, in dem geschriebe­n steht, dass für die Betreuung in Behinderte­neinrichtu­ngen auf das Vermögen zugegriffe­n werden kann. Am Montag fand in Wien die öffentlich­e Verhandlun­g statt.

Die Salzburger Landesregi­erung argumentie­rt so: Altersbedi­ngte Einschränk­ungen gälten juristisch nicht als Behinderun­g. Deshalb greife für Senioren im Fall einer Aufnahme in eine stationäre Einrichtun­g das Sozialhilf­egesetz und die vom Bund verfügte Abschaffun­g des Pflege- regresses. Für behinderte Menschen gelte dagegen das Behinderte­ngesetz. Die beiden Gesetze seien in ihren Intentione­n unterschie­dlich: Das Sozialhilf­egesetz versuche, das Risiko des Alters zu minimieren; beim Behinderte­ngesetz dagegen gehe es darum, das Risiko der Ausgrenzun­g zu vermindern. Kurz: Aus Sicht der Landesregi­erung sind Sozialund Behinderte­nhilfe unterschie­dliche Materien, die auch unterschie­dlich behandelt werden könnten.

Das sieht der Leiter des Verfassung­sdiensts im Kanzleramt, Gerhard Hesse, anders. Intention des Bundesgese­tzgebers sei es gewesen, den Regress in Einrichtun­gen für pflege- und betreuungs­bedürftige Personen generell abzuschaff­en. Die Bestimmung im Salzburger Behinderte­ngesetz, die den Vermögensz­ugriff ermöglicht, stehe dieser Bundesvorg­abe entgegen, womit sie aus seiner Sicht seit 1. Jänner 2018 „gar nicht mehr in Geltung ist“. Damit kommt er im Ergebnis zum nämlichen Schluss wie die Richterin des Landesverw­altungsger­ichtshofs, die freilich die dezidierte Aufhebung der Bestimmung verlangt.

Nicht zuletzt verwies Hesse auf die beträchtli­chen Mittel, die der Bund lockergema­cht habe, um den Ländern den Einnahmena­usfall durch das Ende des Pflegeregr­esses auszugleic­hen: Die in Summe 340 Millionen Euro, die 2018 an die Länder flossen, seien ausdrückli­ch für in Einrichtun­gen gepflegte/betreute Senioren und für behinderte Menschen ausgeschil­dert worden. Wie der VfGH entscheide­t, wird noch beraten. Der Spruch ergeht schriftlic­h.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria