Trump hilft seinem Freund Netanjahu
Mit der Anerkennung von Israels Annexion der syrischen Golanhöhen steht der US-Präsident eindeutig im Widerspruch zur UNO-Resolution.
WASHINGTON. War es bloß ein Tweet oder haben die USA eine Grundsatzposition aufgegeben, die sie über mehr als ein halbes Jahrhundert vertreten haben? Das Weiße Haus lehnte es ab, explizit darzulegen, ob die Golanhöhen offiziell weiterhin als von Israel nach dem Sechs-TageKrieg von 1967 besetzte Gebiete betrachtet werden.
Kurz bevor sein Außenminister Mike Pompeo in Jerusalem mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammentraf, teilte US-Präsident Donald Trump auf dem Kurznachrichtenkanal mit, es werde nach 52 Jahren Zeit, „vollständig die Souveränität Israels über die Golanhöhen anzuerkennen“. Diese seien von strategischer und sicherheitspolitischer Wichtigkeit für den Staat Israel und die regionale Stabilität.
Netanjahu nahm die Steilvorlage auf und dankte Trump überschwänglich für die Anerkennung der von Israel eroberten Gebiete. „Erst erkannte er Jerusalem als Israels Hauptstadt an und verlegte die US-Botschaft dorthin, dann zog er sich aus dem verheerenden Atomabkommen mit dem Iran zurück und verhängte wieder Sanktionen“, sagte er und lobte damit den USPräsidenten. „Nun tut er etwas historisch ebenso Wichtiges: Er erkennt Israels Herrschaft über die Golanhöhen an.“
An Netanjahus Seite stand Pompeo, der ihn als erster USPolitiker an die Klagemauer im Westen Jerusalems begleitet hatte; sie liegt ebenfalls auf besetztem Gebiet. Der amerikanische Außenminister sprach von „hart erkämpftem Land“, das „richtigerweise ein souveräner Teil des Staates Israel ist“.
Amerikanische Nahostexperten sind entsetzt über den Alleingang Trumps, der auch die Berufsdiplomaten in der Regierung auf dem falschen Fuß erwischte. Entgegen etablierten Gepflogenheiten hatte Trump seine Ankündigung nicht vorab durch die dafür vorgesehenen Gremien prüfen lassen. Die USA gefährdeten damit ihre eigene Friedensinitiative für die Region, sagte der frühere Nahostunterhändler Dennis Ross. „Das macht es arabischen Führern schwerer, positiv darauf zu reagieren.“
Nach internationalem Recht gehören die Golanhöhen zu Syrien. „Es geht um die territoriale Integrität Syriens“, versicherte der UNOSonderbeauftragte Geir Pedersen. Das ist eine Position, die von so gut wie allen Staaten der Welt geteilt wird. Entsprechend eindeutig fielen die Reaktionen aus, die eine einseitige Änderung des Status quo verurteilten.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sprach von einer „unglücklichen Erklärung“. Trump habe die Region damit „an die Schwelle einer neuen Krise und neuer Spannungen gerückt“. Eine Sprecherin der Regierung in Berlin betonte, Deutschlands Haltung bleibe unverändert und im Einklang mit der UNO-Resolution 497. Darin wird die Annexion des Gebiets durch Israel für unwirksam erklärt. Das russische Außenministerium nannte die Ankündigung „eine direkte Verletzung von UNOEntscheidungen“.
Russland, so fürchtet Martin Indyk, der frühere US-Botschafter in Israel, werde dies zu gegebener Zeit als Vorwand nehmen, „die Annexion der Krim zu rechtfertigen“. Dieser russische Gewaltakt auf der ukrainischen Halbinsel genau vor fünf Jahren ist allenthalben als Verstoß gegen das Völkerrecht gewertet worden.
Ein anderer Grund für den Alleingang Trumps in Sachen Golanhöhen dürfte nach Ansicht von politischen Analysten der Wunsch des US-Präsidenten sein, seinem von Korruptionsvorwürfen verfolgten Freund in Jerusalem im Wahlkampf Rückenwind zu verschaffen. „Politisch hilft er ,Bibi‘ Netanjahu“, sagt Ross. Denn anders als in den meisten Teilen der Welt genießt der US-Präsident in Israel hohe Zustimmungswerte.
In der kommenden Woche wird Netanjahu Gelegenheit haben, dem US-Präsidenten persönlich im Weißen Haus zu danken. Auch das ist ein Wahlkampfgeschenk für den Ministerpräsidenten, der eine fünfte Amtszeit anstrebt. In Israel wird am 9. April ein neues Parlament gewählt. Der schon seit langer Zeit regierende Likud-Politiker Netanjahu sieht sich diesmal ernsthaften Konkurrenten gegenüber.
Mit einer derart eindeutigen Parteinahme zugunsten Israels verspielt Washington nach Ansicht politischer Beobachter immer mehr die traditionelle Rolle des Vermittlers im Palästina-Konflikt.