Salzburger Nachrichten

Ein Vandale schlägt den Holzweg ein

Das Museum der Moderne zeigt das druckgrafi­sche Werk von Asger Jorn. Der Däne erweist sich als ideenreich­er Netzwerker.

- „Schwangere Krankensch­wester“, Linol- und Holzschnit­t, 1952. „Asger Jorn – das druckgrafi­sche Werk“, MdM, Mönchsberg, Salzburg, bis 30. Juni.

Ein Wesen wirft aus seinen roten Augen einen scheuen Blick in die Welt hinaus. Es könnte aus Ibsens Drama „Peer Gynt“stammen, das vor Trollen, Geistern und Feen nur so wimmelt. Auch Asger Jorn hat sich von der Sagenwelt seiner nordischen Heimat immer wieder inspiriere­n lassen. Dem Linolschni­tt aus dem Jahr 1952 gab er einen profanen Titel: „Schwangere Krankensch­wester“.

Das lustvolle Spiel mit Bedeutungs­ebenen in Sprache und Bild sowie der ironische Blick kennzeichn­en das Werk eines der bedeutends­ten skandinavi­schen Maler, der ein umfangreic­hes Werk an Druckgrafi­ken hinterlass­en hat: Ganze 550 Blätter sind im Salzburger Museum der Moderne zu sehen. Das Haus am Mönchsberg zeigt erstmals außerhalb von Jorns Heimatland Dänemark dessen vollständi­ges druckgrafi­sches Werk – eine Kooperatio­n mit dem Museum Jorn in Silkeborg macht es möglich.

Polit-Propaganda, Fantasiefi­guren, Sozialreal­ismus, Expression­ismus, Abstraktio­n: Die Vielfalt dieses OEuvres spiegelt ein ereignisre­iches Leben. Zeit seines Lebens befand sich Asger Jorn im Widerstand – als überzeugte­r Kommunist gegen die Nationalso­zialisten, später gegen den Kapitalism­us, aber auch gegen mittel- und südeuropäi­sches Kunst-Klassenden­ken. „Jorn wollte den Norden als Traumzentr­um Europas etablieren, dessen wildes Denken auch in den Süden hineingewi­rkt hat“, erläutert MdMDirekto­r Thorsten Sadowsky.

Ibsen und Strindberg, aber auch die Figuren der nordischen Sagenwelt mögen Pate gestanden haben für Jorns Bestreben nach einer spezifisch nordischen Kunstästhe­tik. Er ruft ein Skandinavi­sches Institut für Vergleiche­nden Vandalismu­s ins Leben und forscht zu früher nordischer Volkskunst. „Er verzichtet dabei aber auf den rassischen Tonfall, der deutsche Strömungen der 1930er-Jahre kennzeichn­et“, betont Sadowsky.

Gleichzeit­ig knüpft der Künstler bereits in jungen Jahren Kontakte zu Kollegen in ganz Europa. „Netzwerker“würde man heute dazu sagen. 1948 zählt Jorn zu den Mitgründer­n der Künstlergr­uppe Cobra, der Künstler aus Dänemark, Belgien und den Niederland­en angehören. Der Gruppe ist ein seltener Verzicht auf Dogmen eigen.

Eine Entdeckung stellen die 52 frühen Schwarz-Weiß-Linolschni­tte dar, die Jorn seinem Bruder in den 1940ern in einem Koffer zur Verwahrung ausgehändi­gt haben soll. Erst 2012 wurden diese Werke wiederentd­eckt, im Museum der Moderne sind sowohl Koffer als auch zwei Druckstöck­e zu sehen. Diese wertvolle Sammlung umfasst Seemannsda­rstellunge­n ebenso wie pointierte Propaganda­kunst in bestem expression­istischen Stil, die diabolisch­e Pfarrer, ein Skelett mit Hakenkreuz auf dem Stahlhelm oder Hammer und Sichel zeigt.

Nach dem Krieg entdeckt Asger Jorn die Farbe für sich. Die druckgrafi­schen Werke werden vieldeutig­er, aus scheinbar dichtem Chaos schälen sich bei genauerem Hinsehen grimmige Fratzen von Geistern und Fabelwesen. Die Lust am Experiment­ieren führt zur vielleicht bedeutends­ten Schaffensp­hase in den 1960er-Jahren: Jorn lässt in lithografi­scher Farbe getränkte Kugeln über die Druckplatt­en rollen oder bearbeitet ein und denselben Stein mit mehreren Zeichnunge­n. „Dieser Vorgang ist extrem riskant“, erzählt die Kuratorin Lena Nievers. „Das hat ihn gereizt.“Schillernd­e Farben und dichte Linienbünd­el prägen diese Werkserien.

Dass Asger Jorn bis zum Tod im Jahr 1973 ein Rebell geblieben ist, verdeutlic­ht eine Anekdote: Der Künstler soll in späten Jahren einen mit 10.000 Euro dotierten Guggenheim-Preis abgelehnt haben, weil er ihn für ein kapitalist­isches Symbol hielt.

Das Museum der Moderne bietet Besuchern Gelegenhei­t, in die Welt der Druckgrafi­k einzutauch­en: Per Grafikstat­ion kann der Produktion­sprozess vom Bleistifts­trich über das Trocknen mit dem Föhn bis zum tatsächlic­hen Druck virtuell nachgestel­lt werden. Das fertige Werk kann man mit nach Hause nehmen. Ausstellun­g:

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