Ein Vandale schlägt den Holzweg ein
Das Museum der Moderne zeigt das druckgrafische Werk von Asger Jorn. Der Däne erweist sich als ideenreicher Netzwerker.
Ein Wesen wirft aus seinen roten Augen einen scheuen Blick in die Welt hinaus. Es könnte aus Ibsens Drama „Peer Gynt“stammen, das vor Trollen, Geistern und Feen nur so wimmelt. Auch Asger Jorn hat sich von der Sagenwelt seiner nordischen Heimat immer wieder inspirieren lassen. Dem Linolschnitt aus dem Jahr 1952 gab er einen profanen Titel: „Schwangere Krankenschwester“.
Das lustvolle Spiel mit Bedeutungsebenen in Sprache und Bild sowie der ironische Blick kennzeichnen das Werk eines der bedeutendsten skandinavischen Maler, der ein umfangreiches Werk an Druckgrafiken hinterlassen hat: Ganze 550 Blätter sind im Salzburger Museum der Moderne zu sehen. Das Haus am Mönchsberg zeigt erstmals außerhalb von Jorns Heimatland Dänemark dessen vollständiges druckgrafisches Werk – eine Kooperation mit dem Museum Jorn in Silkeborg macht es möglich.
Polit-Propaganda, Fantasiefiguren, Sozialrealismus, Expressionismus, Abstraktion: Die Vielfalt dieses OEuvres spiegelt ein ereignisreiches Leben. Zeit seines Lebens befand sich Asger Jorn im Widerstand – als überzeugter Kommunist gegen die Nationalsozialisten, später gegen den Kapitalismus, aber auch gegen mittel- und südeuropäisches Kunst-Klassendenken. „Jorn wollte den Norden als Traumzentrum Europas etablieren, dessen wildes Denken auch in den Süden hineingewirkt hat“, erläutert MdMDirektor Thorsten Sadowsky.
Ibsen und Strindberg, aber auch die Figuren der nordischen Sagenwelt mögen Pate gestanden haben für Jorns Bestreben nach einer spezifisch nordischen Kunstästhetik. Er ruft ein Skandinavisches Institut für Vergleichenden Vandalismus ins Leben und forscht zu früher nordischer Volkskunst. „Er verzichtet dabei aber auf den rassischen Tonfall, der deutsche Strömungen der 1930er-Jahre kennzeichnet“, betont Sadowsky.
Gleichzeitig knüpft der Künstler bereits in jungen Jahren Kontakte zu Kollegen in ganz Europa. „Netzwerker“würde man heute dazu sagen. 1948 zählt Jorn zu den Mitgründern der Künstlergruppe Cobra, der Künstler aus Dänemark, Belgien und den Niederlanden angehören. Der Gruppe ist ein seltener Verzicht auf Dogmen eigen.
Eine Entdeckung stellen die 52 frühen Schwarz-Weiß-Linolschnitte dar, die Jorn seinem Bruder in den 1940ern in einem Koffer zur Verwahrung ausgehändigt haben soll. Erst 2012 wurden diese Werke wiederentdeckt, im Museum der Moderne sind sowohl Koffer als auch zwei Druckstöcke zu sehen. Diese wertvolle Sammlung umfasst Seemannsdarstellungen ebenso wie pointierte Propagandakunst in bestem expressionistischen Stil, die diabolische Pfarrer, ein Skelett mit Hakenkreuz auf dem Stahlhelm oder Hammer und Sichel zeigt.
Nach dem Krieg entdeckt Asger Jorn die Farbe für sich. Die druckgrafischen Werke werden vieldeutiger, aus scheinbar dichtem Chaos schälen sich bei genauerem Hinsehen grimmige Fratzen von Geistern und Fabelwesen. Die Lust am Experimentieren führt zur vielleicht bedeutendsten Schaffensphase in den 1960er-Jahren: Jorn lässt in lithografischer Farbe getränkte Kugeln über die Druckplatten rollen oder bearbeitet ein und denselben Stein mit mehreren Zeichnungen. „Dieser Vorgang ist extrem riskant“, erzählt die Kuratorin Lena Nievers. „Das hat ihn gereizt.“Schillernde Farben und dichte Linienbündel prägen diese Werkserien.
Dass Asger Jorn bis zum Tod im Jahr 1973 ein Rebell geblieben ist, verdeutlicht eine Anekdote: Der Künstler soll in späten Jahren einen mit 10.000 Euro dotierten Guggenheim-Preis abgelehnt haben, weil er ihn für ein kapitalistisches Symbol hielt.
Das Museum der Moderne bietet Besuchern Gelegenheit, in die Welt der Druckgrafik einzutauchen: Per Grafikstation kann der Produktionsprozess vom Bleistiftstrich über das Trocknen mit dem Föhn bis zum tatsächlichen Druck virtuell nachgestellt werden. Das fertige Werk kann man mit nach Hause nehmen. Ausstellung: