Er ist wieder da, der gefährliche Wahn zur Größe
Eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank wäre der Beweis, dass aus der Finanzkrise die falschen Lehren gezogen wurden.
Jetzt reden sie also doch miteinander, die Vorstände der Deutschen Bank und der Commerzbank. Sie wollen ausloten, ob man zusammen besser dasteht als allein. In vier bis sechs Wochen will man wissen, ob man es miteinander versucht. Halb zog es sie, halb sanken sie hin. Man wird den Eindruck nicht los, dass sich da zwei Große, die auf tönernen Beinen stehen, stützen wollen, um nicht umzufallen. Und besorgte Politiker führen sie dabei an der Hand.
Ein Treiber des Zusammenschlusses zu einem größeren, aber nicht zwangsläufig erfolgreicheren Geldhaus ist der deutsche Finanzminister Olaf Scholz. Dass sich ausgerechnet ein Sozialdemokrat für eine Fusion starkmacht, die einen neuen Bankenkoloss entstehen ließe, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Man hat noch die Rufe im Ohr, die nach der Finanzkrise durch Europa hallten. Nie mehr wieder dürfe eine Bank so groß und komplex sein, dass sie nicht pleitegehen könne und die Politiker gezwungen seien, sie auf Kosten der Steuerzahler aufzufangen. Der liberale Ökonom Lars Feld kommentierte die Fusionsbestrebungen damit, dass man seit der Finanzkrise daran gearbeitet habe, das Problem zu großer Banken, die nicht pleitegehen dürften, zu entschärfen. „Jetzt beobachten wir das genaue Gegenteil, und all das mit Hilfe des Staats.“Es wird nicht bei der Geburtshilfe bleiben. Falls die Fusion zustande kommt, ist schon jetzt klar, dass man ein Bankhaus mit impliziter Staatsgarantie schafft. Mit so einer Versicherung im Rücken kann man unbesorgt weltweit auf Abenteuersuche gehen.
Der Größenwahn in der Finanzbranche war nie weg, er hat seit der Krise nur ein wenig pausiert. „Das Einzige, was im Banking zählt, ist Größe“, sagte der Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS, Axel Weber, im Jänner beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Da muss man nachträglich froh sein, dass er seinerzeit als Chef der Bundesbank das Handtuch warf und sich aus dem Rennen für das Präsidentenamt in der Europäischen Zentralbank nahm. Andererseits ist Weber wohl auch heilfroh, dass er damals den Avancen nicht erlag, Nachfolger von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zu werden. Aber Weber ist ein kluger Mann. Dass sich die UBS an der Konsolidierung von Europas Bankensektor beteiligt, schließt er mit der bemerkenswerten Begründung „Fusionen binden einen für Jahre“aus.
Das ist ein Punkt, warum viele Finanzexperten Zweifel an den Plänen für eine neue deutsche Großbank haben. Die wäre wohl geraume Zeit mit sich selbst beschäftigt. Was Konkurrenten nur recht sein kann, wirft allerdings die grundsätzliche Frage auf, warum es eine Fusion leichter machen soll, die Schwächen zu beseitigen, die man seit Jahren nicht in den Griff bekommt. Vor allem die Deutsche Bank nicht. Sie notiert an der Börse zu einem Viertel ihres Buchwerts, die halb so große Commerzbank steht nicht viel besser da. Die hat die Bücher voll mit italienischen Staatsanleihen, für die bei einer Übernahme Abschreibungen in Milliardenhöhe anfielen. Absehbar ist zudem, dass das fusionierte Institut Milliarden an frischem Kapital bräuchte. Es wird nicht leicht sein, Investoren zu überzeugen, deren Geld man über ein Jahrzehnt versenkt hat, in dem sich 90 Prozent des Börsenwerts in Luft aufgelöst haben.
Bei der Commerzbank sollte man überdies vor Paul Achleitner auf der Hut sein. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank gilt als Mastermind hinter den Fusionsbemühungen. Aber der Ex-Investmentbanker bei Goldman Sachs hat dabei schon früher keine glückliche Hand bewiesen. Der Kauf der Dresdner Bank unter ihm als Finanzvorstand des Versicherers Allianz geriet zum Debakel und endete mit einem Notverkauf an die Commerzbank. Die überlebte den Deal nur mit 18 Mrd. Euro Staatshilfe. Auch bei der Deutschen Bank lief unter Achleitner viel schief. Sie verschliss mehrere Vorstände und fand trotzdem nie in die Erfolgsspur zurück. Man hat den Eindruck, er würde das mit dem Megadeal gerne vergessen lassen.
Auch das Argument, das Scholz & Co. vorbringen, die deutschen Banken hätten nicht die Größe und die nötige Präsenz, um die Industrie rund um den Globus zu betreuen, klingt reichlich hohl. Die Deutsche Bank hatte kein Problem damit, Geldwäscher quer durch Europa zu begleiten. Und um die Immobiliendeals von Donald Trump auf der anderen Seite des Atlantiks zu finanzieren, reichte es auch.
Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel bringt das Problem nüchtern auf den Punkt: „Man muss sich wirklich fragen, ob aus der Finanzkrise irgendetwas gelernt wurde.“Die Antwort ist einfach. Die Kurve des Vergessens zeigt steil nach oben. Aber die Lernkurve ist eine flache Linie – sie zeigt, dass sich nichts geändert hat.