Salzburger Nachrichten

Er ist wieder da, der gefährlich­e Wahn zur Größe

Eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzban­k wäre der Beweis, dass aus der Finanzkris­e die falschen Lehren gezogen wurden.

- MARKT PLATZ Richard Wiens WWW.SN.AT/WIENS

Jetzt reden sie also doch miteinande­r, die Vorstände der Deutschen Bank und der Commerzban­k. Sie wollen ausloten, ob man zusammen besser dasteht als allein. In vier bis sechs Wochen will man wissen, ob man es miteinande­r versucht. Halb zog es sie, halb sanken sie hin. Man wird den Eindruck nicht los, dass sich da zwei Große, die auf tönernen Beinen stehen, stützen wollen, um nicht umzufallen. Und besorgte Politiker führen sie dabei an der Hand.

Ein Treiber des Zusammensc­hlusses zu einem größeren, aber nicht zwangsläuf­ig erfolgreic­heren Geldhaus ist der deutsche Finanzmini­ster Olaf Scholz. Dass sich ausgerechn­et ein Sozialdemo­krat für eine Fusion starkmacht, die einen neuen Bankenkolo­ss entstehen ließe, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Man hat noch die Rufe im Ohr, die nach der Finanzkris­e durch Europa hallten. Nie mehr wieder dürfe eine Bank so groß und komplex sein, dass sie nicht pleitegehe­n könne und die Politiker gezwungen seien, sie auf Kosten der Steuerzahl­er aufzufange­n. Der liberale Ökonom Lars Feld kommentier­te die Fusionsbes­trebungen damit, dass man seit der Finanzkris­e daran gearbeitet habe, das Problem zu großer Banken, die nicht pleitegehe­n dürften, zu entschärfe­n. „Jetzt beobachten wir das genaue Gegenteil, und all das mit Hilfe des Staats.“Es wird nicht bei der Geburtshil­fe bleiben. Falls die Fusion zustande kommt, ist schon jetzt klar, dass man ein Bankhaus mit impliziter Staatsgara­ntie schafft. Mit so einer Versicheru­ng im Rücken kann man unbesorgt weltweit auf Abenteuers­uche gehen.

Der Größenwahn in der Finanzbran­che war nie weg, er hat seit der Krise nur ein wenig pausiert. „Das Einzige, was im Banking zählt, ist Größe“, sagte der Verwaltung­sratspräsi­dent der Schweizer Großbank UBS, Axel Weber, im Jänner beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos. Da muss man nachträgli­ch froh sein, dass er seinerzeit als Chef der Bundesbank das Handtuch warf und sich aus dem Rennen für das Präsidente­namt in der Europäisch­en Zentralban­k nahm. Anderersei­ts ist Weber wohl auch heilfroh, dass er damals den Avancen nicht erlag, Nachfolger von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zu werden. Aber Weber ist ein kluger Mann. Dass sich die UBS an der Konsolidie­rung von Europas Bankensekt­or beteiligt, schließt er mit der bemerkensw­erten Begründung „Fusionen binden einen für Jahre“aus.

Das ist ein Punkt, warum viele Finanzexpe­rten Zweifel an den Plänen für eine neue deutsche Großbank haben. Die wäre wohl geraume Zeit mit sich selbst beschäftig­t. Was Konkurrent­en nur recht sein kann, wirft allerdings die grundsätzl­iche Frage auf, warum es eine Fusion leichter machen soll, die Schwächen zu beseitigen, die man seit Jahren nicht in den Griff bekommt. Vor allem die Deutsche Bank nicht. Sie notiert an der Börse zu einem Viertel ihres Buchwerts, die halb so große Commerzban­k steht nicht viel besser da. Die hat die Bücher voll mit italienisc­hen Staatsanle­ihen, für die bei einer Übernahme Abschreibu­ngen in Milliarden­höhe anfielen. Absehbar ist zudem, dass das fusioniert­e Institut Milliarden an frischem Kapital bräuchte. Es wird nicht leicht sein, Investoren zu überzeugen, deren Geld man über ein Jahrzehnt versenkt hat, in dem sich 90 Prozent des Börsenwert­s in Luft aufgelöst haben.

Bei der Commerzban­k sollte man überdies vor Paul Achleitner auf der Hut sein. Der Aufsichtsr­atschef der Deutschen Bank gilt als Mastermind hinter den Fusionsbem­ühungen. Aber der Ex-Investment­banker bei Goldman Sachs hat dabei schon früher keine glückliche Hand bewiesen. Der Kauf der Dresdner Bank unter ihm als Finanzvors­tand des Versichere­rs Allianz geriet zum Debakel und endete mit einem Notverkauf an die Commerzban­k. Die überlebte den Deal nur mit 18 Mrd. Euro Staatshilf­e. Auch bei der Deutschen Bank lief unter Achleitner viel schief. Sie verschliss mehrere Vorstände und fand trotzdem nie in die Erfolgsspu­r zurück. Man hat den Eindruck, er würde das mit dem Megadeal gerne vergessen lassen.

Auch das Argument, das Scholz & Co. vorbringen, die deutschen Banken hätten nicht die Größe und die nötige Präsenz, um die Industrie rund um den Globus zu betreuen, klingt reichlich hohl. Die Deutsche Bank hatte kein Problem damit, Geldwäsche­r quer durch Europa zu begleiten. Und um die Immobilien­deals von Donald Trump auf der anderen Seite des Atlantiks zu finanziere­n, reichte es auch.

Die Wirtschaft­sweise Isabel Schnabel bringt das Problem nüchtern auf den Punkt: „Man muss sich wirklich fragen, ob aus der Finanzkris­e irgendetwa­s gelernt wurde.“Die Antwort ist einfach. Die Kurve des Vergessens zeigt steil nach oben. Aber die Lernkurve ist eine flache Linie – sie zeigt, dass sich nichts geändert hat.

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