Der Tourismus hat einen Plan
Ein Jahr lang haben 500 Profis aus der Branche am neuen Masterplan für den Tourismus in Österreich gearbeitet. Jetzt liegt er vor – und ist auch den Einheimischen gewidmet.
SALZBURG. So etwas gab es noch nie. Freilich, zu 99 Prozent beschäftigt sich der Masterplan, der Österreichs Tourismus in die Zukunft führen soll, mit branchen- und betriebsrelevanten Dingen: Arbeitsmarkt, Förderungen, Digitalisierung. Erstmals besinnt man sich aber auch wieder darauf, dass Gastfreundschaft, für die das Tourismusland Österreich so bekannt ist, nicht ohne Einheimische funktioniert. Unter dem Motto „Tourismusraum ist Lebensraum“will man künftig wieder den Bürger vor Ort vermehrt in touristische Prozesse einbinden. Tatsächlich ist die Angst vor dem „Overtourism“und der daraus resultierenden Entzweiung von Gästen und Einheimischen groß. Bilder wie in Venedig, Mallorca oder Barcelona, wo sich die Wut der Bürger in Demonstrationen entlädt, will man nicht haben.
Auch in Österreich brennt da und dort schon der Hut, etwa in Hallstatt oder der Salzburger Innenstadt. Die Bewohner fühlen sich überrollt von den Gästemassen. Branchensprecherin Petra NockerSchwarzenbacher gibt zu: „In der Vergangenheit hat man mancherorts alles dem Tourismus untergeordnet, da hat man nicht aufgepasst.“Das Miteinander müsse wieder mehr an Wert bekommen. Die Einheimischen müssten Räume oder Infrastruktur, etwa einen Dorflift, für sich allein behalten dürfen oder zurückbekommen. „Da müssen wir umdenken.“
Vorgedacht in Österreichs touristische Zukunft haben schon einmal 500 Branchenvertreter. In neun Zukunftswerkstätten wurde ein Jahr lang gearbeitet und die Basis für den Masterplan Tourismus gelegt. Dieser sei kein Endpunkt, sondern Beginn einer Entwicklung, sagte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bei der Präsentation in der Salzburger Panzerhalle.
„Plan T“nennt sich der Masterplan in seiner Kurzform, gedruckt umfasst er 40 Seiten. Konkret definiert wurden drei Zielkorridore: den Tourismus neu denken, die Leitbranche des 21. Jahrhunderts weiterentwickeln und die Kräfte bündeln. Was auf den ersten Blick oberflächlich klingt, wird in einem ersten Aktionsplan 2019/20 verdeutlicht (siehe Kasten). Und dabei geht es auch ums Geld.
Wie bereits angekündigt, erhält die Österreich Werbung (ÖW) ein Sonderbudget von 500.000 Euro für Digitalisierungsprojekte. Als Herzstück soll ein Future-Lab aufgebaut werden. Es gehe darum, die traditionellen Tourismusorganisationen mit ihrer eigenen Logik auf der einen Seite und die globale Entwicklung des Tourismus mit ihren neuen Techniken und Geschäftsprozessen auf der anderen zusammenzubringen, sagt Reinhard Lanner. Der Salzburger zeichnet als Chief Digital Officer der ÖW für das Digitalisierungsprojekt verantwortlich. Entstehen soll auch eine digitale Landkarte, die für bereits vorhandene Aktivitäten Synergien bringen soll und am Ende bessere Rundum-Angebote für den Gast.
Neu ausgerichtet wird auch die Österreichische Hotel- und Tourismusbank. Zusätzliche 1,5 Mill. Euro sollen über ein Förderinstrument namens „Impuls Calls“zur Verfügung stehen. Vor allem Einrichtungen für Mitarbeiter und die Landgastronomie – Stichwort Wirtesterben – sollen gefördert werden. „Wir wollen für den Landgastronomen auf Knopfdruck ein Netzwerk schaffen, damit er weiß, welche Perspektiven er hat“, sagt Köstinger.
Aufnahme gefunden haben im Aktionsplan Onlineplattformen wie Airbnb. Ziel sei es, eine bundesweite Lösung zu finden, um in der touristischen Vermietung gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Verfügbarkeit steuerrelevanter Informationen will man sich über die europäische E-CommerceRichtlinie verschaffen. „Hier haben wir die rechtliche Grundlage, wir müssen sie nur umsetzen“, sagt Köstinger und kündigte einen „Sharing-Economy-Gipfel“an.
Tourismusregionen sollen künftig vermehrt Klima- und Modellregionen für erneuerbare Energien werden. Förderungen soll es etwa im Rahmen von Photovoltaik- und Kleinspeicherprogrammen geben.
Nicht unerwartet, weil es sich um eines der größten Probleme, mit denen die Branche zu kämpfen hat, handelt, sind Initiativen für den Arbeitsmarkt. Neben Aus- und Weiterbildung steht auch das Monitoring der Rot-Weiß-Rot-Karte im Aktionsplan. Die Regionalisierung der Mangelberufsliste hat bisher den erhofften Erfolg nicht gebracht, mit Köchen und Kellnern aus Drittstaaten die große Lücke, die beim Personal klafft, kleiner zu machen. Ende Jänner zählte man in der Branche gerade einmal sieben genehmigte Fachkräfte, die über Rot-Weiß-RotKarte und Mangelberufsliste nach Österreich kamen.
Spartenobfrau Nocker-Schwarzenbacher sagt dazu: „Die RotWeiß-Rot-Karte ist noch nicht tourismustauglich.“Die Latte wie Anzahl der Berufsjahre oder Alter sei für den Tourismus zu hoch gelegt. „Die meisten arbeiten saisonbezogen, da kommt man nicht so leicht auf viele Jahre.“Mittlerweile würden Fachkräfte aus Drittstaaten an Österreich vorbei nach Deutschland ziehen. Dort seien die Hürden weniger groß. Fest steht für die Branche: In puncto Arbeitskräfte aus Drittstaaten hat man noch nicht ausdiskutiert.
Anders aussehen wird künftig die jährliche Tourismusbilanz. Die baue bisher nur auf Nächtigungsund Ankunftszahlen auf, die spiegelten aber nicht die tatsächliche Performance der Branche wider, sagt Köstinger. Künftig soll deshalb über ein neues Indikatorensystem, in das über das Tourismus-Satellitenkonto auch ökologische Indikatoren und Bilanzanalysen einfließen, ein wesentlich realeres Bild des wirtschaftlichen Erfolgs der Branche transportiert werden.