Salzburger Nachrichten

Landeshaup­tleute wollen das Richtige, ohne zu wissen, warum

In der Diskussion um ORFFinanzi­erung direkt aus dem Staatshaus­halt statt Rundfunkge­bühr überwiegt das Tarnen und Täuschen.

- MEDIA THEK Peter Plaikner

Wenn die Landeshaup­tleute zur Rettung des ORF, wie sie ihn lieb haben, ausrücken, wirkt das wie Politikfol­klore. Die plötzlich wieder ungetrübte schwarz-rote Neuneinigk­eit ist dabei aber nur die Spitze eines Eisbergs von Machtanspr­uch und Verantwort­ungslosigk­eit.

Es geht ihnen nicht um das Wohl des ORF. Sie sorgen sich nicht um die Überführun­g eines nationalen Konzepts von gestern in die globale Digitalisi­erung von morgen. Sie haben auch nicht die zeitgemäße Identitäts­stiftung für unser Gemeinwese­n im Sinn. Es geht ihnen um LH-TV, Einflussna­hme durch Stiftungsr­äte und Geldflüsse per Etikettens­chwindel.

Von letzterem Vorwurf sind nur Vorarlberg und Oberösterr­eich ausgenomme­n, wo pro Jahr 70 Euro weniger GIS-Beitrag fällig ist als in der Steiermark. Die sonst mit der Rundfunkge­bühr eingehoben­en Landesabga­ben wären ein guter Test, jene Steuerhohe­it zu erproben, die einige Regionalhe­rren fordern – solange sie nicht glauben, dass sie kommt. Bürger zu schröpfen passt nicht zur Schönwette­r-Stellenbes­chreibung für einen Landeshaup­tmann.

Das Beharren auf einem Stiftungsr­at je Bundesland ist hingegen sinnvoll, damit sie in der ORF-Zentrale Wien nicht mit Österreich verwechsel­n. Doch statt parteilich­er Willfährig­keit, dem bisherigen Hauptkrite­rium für diese Posten, braucht es Mindestfac­hwissen über die rasanten Umbrüche in der Medienbran­che. Das fehlt aktuell bei einigen Stiftungsr­äten.

Wenn die Landeshaup­tleute auf Erhalt der Landesstud­ios bestehen, fordern sie hingegen das Richtige, ohne zu wissen, warum. LH-TV wird sich wie regionales ORF-Radio von selbst erledigen, weil in der Ära von YouTube, Netflix und Podcasts das Publikum dafür ausstirbt. Unterdesse­n versucht Facebook nach der Zerstörung nationaler Mediengesc­häftsmodel­le auch regionale Werbemärkt­e zu erobern. Für diese neue Strategie haben die Amerikaner bereits letztes Jahr ihren Algorithmu­s umgebaut.

Der Angriff gilt verlagsbas­ierten privaten Angeboten wie öffentlich-rechtliche­m Rundfunk, denn die Invasion dient der Eroberung regionaler Inhaltshoh­eit. In den USA löst Facebook schon das Lokalferns­ehen als wichtigste Nachrichte­nquelle ab. Bei uns ist noch „Bundesland heute“die täglich meistgeseh­ene Sendung und erreichen Bundesländ­erzeitunge­n im Wettbewerb mit „Krone“-Regionalau­sgaben das größte Publikum. Damit für Österreich weiter solche Angebote aus Österreich führend sein können, braucht es politische Eingriffe. Wenn die Landeshaup­tleute sich wirklich um regionale Informatio­n sorgen, müssen sie ihr Gewicht für zeitgemäße Medienregu­lierung in die Waagschale werfen – statt für LH-TV. Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

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