Landeshauptleute wollen das Richtige, ohne zu wissen, warum
In der Diskussion um ORFFinanzierung direkt aus dem Staatshaushalt statt Rundfunkgebühr überwiegt das Tarnen und Täuschen.
Wenn die Landeshauptleute zur Rettung des ORF, wie sie ihn lieb haben, ausrücken, wirkt das wie Politikfolklore. Die plötzlich wieder ungetrübte schwarz-rote Neuneinigkeit ist dabei aber nur die Spitze eines Eisbergs von Machtanspruch und Verantwortungslosigkeit.
Es geht ihnen nicht um das Wohl des ORF. Sie sorgen sich nicht um die Überführung eines nationalen Konzepts von gestern in die globale Digitalisierung von morgen. Sie haben auch nicht die zeitgemäße Identitätsstiftung für unser Gemeinwesen im Sinn. Es geht ihnen um LH-TV, Einflussnahme durch Stiftungsräte und Geldflüsse per Etikettenschwindel.
Von letzterem Vorwurf sind nur Vorarlberg und Oberösterreich ausgenommen, wo pro Jahr 70 Euro weniger GIS-Beitrag fällig ist als in der Steiermark. Die sonst mit der Rundfunkgebühr eingehobenen Landesabgaben wären ein guter Test, jene Steuerhoheit zu erproben, die einige Regionalherren fordern – solange sie nicht glauben, dass sie kommt. Bürger zu schröpfen passt nicht zur Schönwetter-Stellenbeschreibung für einen Landeshauptmann.
Das Beharren auf einem Stiftungsrat je Bundesland ist hingegen sinnvoll, damit sie in der ORF-Zentrale Wien nicht mit Österreich verwechseln. Doch statt parteilicher Willfährigkeit, dem bisherigen Hauptkriterium für diese Posten, braucht es Mindestfachwissen über die rasanten Umbrüche in der Medienbranche. Das fehlt aktuell bei einigen Stiftungsräten.
Wenn die Landeshauptleute auf Erhalt der Landesstudios bestehen, fordern sie hingegen das Richtige, ohne zu wissen, warum. LH-TV wird sich wie regionales ORF-Radio von selbst erledigen, weil in der Ära von YouTube, Netflix und Podcasts das Publikum dafür ausstirbt. Unterdessen versucht Facebook nach der Zerstörung nationaler Mediengeschäftsmodelle auch regionale Werbemärkte zu erobern. Für diese neue Strategie haben die Amerikaner bereits letztes Jahr ihren Algorithmus umgebaut.
Der Angriff gilt verlagsbasierten privaten Angeboten wie öffentlich-rechtlichem Rundfunk, denn die Invasion dient der Eroberung regionaler Inhaltshoheit. In den USA löst Facebook schon das Lokalfernsehen als wichtigste Nachrichtenquelle ab. Bei uns ist noch „Bundesland heute“die täglich meistgesehene Sendung und erreichen Bundesländerzeitungen im Wettbewerb mit „Krone“-Regionalausgaben das größte Publikum. Damit für Österreich weiter solche Angebote aus Österreich führend sein können, braucht es politische Eingriffe. Wenn die Landeshauptleute sich wirklich um regionale Information sorgen, müssen sie ihr Gewicht für zeitgemäße Medienregulierung in die Waagschale werfen – statt für LH-TV. Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.