Der Weg ist die Bewegung
Ein Ort wie Schall und Rauch. Mit einem Konzert von Elton John wurde Ischgl 1995 weltweit bekannt. Bald sollen dort Königspinguine angesiedelt werden. Günther Aloys erklärt, warum.
Der Ischgler Hotelier Günther Aloys hat sein Heimatdorf seit 1995 Schritt für Schritt zu einem pulsierenden Tourismusmagneten ausgebaut. Heute steht die Marke Ischgl für Massen- und Eventtourismus. Für seine schrägen Ideen wird er von der Fachwelt sowohl heftig kritisiert als auch überschwänglich bewundert. Sein Credo lautet: Man muss im Schatten des Erfolgs sofort einen neuen Erfolg bauen. Günther Aloys: Über die Pamela Anderson hat man sich in Ischgl dann doch nicht drübergetraut. Aber es ist immerhin ein sehr großer Ski- und Snowboardpark entstanden. Ganz banal mit drei großen Sprungtürmen. Aber ich habe noch einige Vorschläge. Etwa eine gläserne Sauna auf 3000 Metern Seehöhe. Oder eine Ski-in-Kirche an der Piste. Da fährt man mit den Ski in die Kirche, zündet eine Kerze an und hält eine Minute Andacht und fährt dann wieder raus. Ein multimedialer Eislaufplatz schwebt mir auch noch vor: mit Projektionen, Farben, Lichtern – und vor allem der „senkrechte See“: Das ist ein hohler Glaskörper mit einem Wasserfall. Und dann würde ich noch gern die längste Hängebrücke der Welt über das Dorf spannen. Natürlich nicht. Ein Mountain Glider schwebt mir auch noch vor. Da flitzt man einem Adler gleich in großen Radien mit 120 km/h ins Tal. Oder der Mountain Coaster. Das ist eine Achterbahn vom Berg ins Tal. So eine Berg-und-Tal-Fahrt hat es wirklich in sich. Außerdem würde ich gerne Skulpturen aufstellen und eine Piste rot einfärben lassen. Hilfreich wären noch ein Film-Festival und – als Wahrzeichen von Ischgl – das mit 180 Metern höchste Gipfelkreuz der Welt. Eine Einzelstellung hätten wir gewiss auch, wenn wir einen Bikini Beach realisieren könnten. Das ist ein auf 40 Grad geheizter See mitten im Skigebiet.
Sie wollen Touristen auch den Anstieg zum Lattenkopf mit 8200 Stufen schmackhafter machen. Warum soll man nicht mehr wie früher auf normalen Wegen wandern?
Die Treppe auf den Lattenkopf ist eine mentale Herausforderung für jeden Menschen. Stufe um Stufe hinauf zum Ziel. Das ist eine große Herausforderung, die man im Kopf annehmen muss, also eine spirituelle Erfahrung. Oder um es mit den Worten des japanischen Architekten Tadao Andō zu sagen: Sie ist eine Art „Schlichtheit der Perfektion“. Treppen üben seit jeher eine besondere Faszination aus. Man sieht das an den Treppen in den asiatischen Bergen, an der Chinesischen Mauer oder den Pyramiden der Ägypter und Azteken. Ich würde diese Treppe als Ischgler Angebot für inneren Frieden und Gelassenheit bezeichnen. Diese Idee ist ein starker Impuls für den weltweiten Markt, der sich um das Thema „Berg“dreht. Sie spricht Sinn- und Glückssucher an, Fitness-Sportler, fernöstlich orientierte Esoteriker, katholische Wallfahrer, Geomanten, aber auch Gipfelstürmer und Naturgenießer.
„Die Zeit“schrieb, es wäre Ihnen gelungen, Ischgl zugleich als Ballermann und Luxusdorf zu positionieren.
Ballermann und Luxusdorf ist eine extreme Wortwahl. Im Grunde geht es nur darum, dass man sich auf einem hohen Niveau auch unkompliziert wohlfühlen kann. Also um Unterhaltung und Perfektion. Ischgl hat nicht nur Skitourismus. Es geht fast schon mehr um Entertainment. Bei uns wohnt man in sehr guten Hotels, isst feines Essen, hört super Musik und benutzt perfekte Seilbahnen. Und wenn sich jemand verletzt, dann bieten wir super organisierte ErsteHilfe-Transporte. Wir haben Perfektion in allen Bereichen geschaffen. Das ist eben eine gute Grundlage für beste Unterhaltung. Derzeit nicht. Uns interessiert in erster Linie der neue Gast – und der kommt in Zukunft sicher aus China. In China werden derzeit große Anstrengungen unternommen, um das Skifahren populär zu machen. Man geht von einem Potenzial von 300 Millionen Chinesen aus, die diesen Sport bald erlernen. Um dieses Ziel so schnell wie möglich zu erreichen, werden dort 850 neue Skigebiete gebaut. In den Alpen wird man diese neue Zielgruppe schätzen. Denn sie bedeutet Komplettauslastung. Und die Chinesen werden die Alpen lieben.
Ihre Ideen waren ja auch im eigenen Dorf nicht unumstritten. Wie konnten Sie Bedenkenträger überzeugen, diesen Weg zu gehen?
Eigentlich war allen klar, dass man einen eigenen Weg gehen muss. Obwohl es anfangs schon Bedenken gab, ob Konzerte mit Weltstars wie Elton John, Sting und Robbie Williams nicht auch in die Hose gehen können. Für Elton John gaben wir 1995 unser gesamtes Budget aus. Dafür wurde Ischgl auch weltweit bekannt. Es gab aber noch viel mehr Vorschläge, von denen nur ein Teil umgesetzt wurde. Ich bin der Meinung, dass man im Schatten eines Erfolgs sofort einen neuen Erfolg bauen muss. Wir haben immer wieder neue Stützen unter die Marke Ischgl gestellt. Nur so kann sich dauerhaft Erfolg einstellen. Oder um ein anderes Bild zu bemühen: Wir haben uns rechtzeitig für die Smartphone-Philosophie entschieden, während viele Skigebiete immer noch wie Nokia funktionieren. Ich werde jeden Tag für irgendetwas kritisiert. Damit kann ich gut umgehen. Nur weil man beim Skifahren Anoraks trägt, heißt das nicht, dass der Skitourismus nicht sexy sein kann. Ich bin sogar der Meinung: Die ganze Bergwelt muss sexy sein. Früher hatte man damit offenbar kein Problem. Woher käme sonst die Redewendung „Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd“. In