Forward, Fossile!
„Maßnahmen gegen den Klimawandel haben oberste Priorität“, „Klimaschutz ist eine der größten Aufgaben der Menschheit“, „Kampf dem Klimawandel!“: Nein, das sind nicht die Sprüche streikender Schülerinnen. (Die sind viel peppiger: „Opa, was ist ein Schneemann?“hat mir besonders gefallen.) Unsere Regierung sagt das. Aber die größere Regierungspartei behauptet ja auch, christlich-sozial zu sein und lässt zu, dass kinderreiche Familien bestraft und arbeitende junge Flüchtlinge aus dem Land geworfen werden. Offenbar ist Macht prickelnder als Menschlichkeit und einflussreiche Geldgeber sind wichtiger als irgendwelche LuftPartikel. Das Spiel mit politischen Lippenbekenntnissen ist nicht gerade neu.
Man könnte freilich sagen, sie tun wenigstens so, als ob. Während ihr Koalitionspartner ungeniert behauptet, dass man nicht wisse, wie viel an der Erderhitzung menschengemacht sei. Die viiiielen (es sind immer dieselben paar) Wissenschafter werden beschworen, die meinen, die steigenden Temperaturen könnten ja auch mit irgendwelchen Sonnenwinden zu tun haben. Ich will es vornehm so ausdrücken: Nicht jeder Wind riecht gut. Wobei es eigentlich seltsam ist, dass sich gerade die Nationalisten aller Länder so stur gegen Klimaschutz wehren. Eigentlich wollen sie ja sonst, dass alles so bleibt, wie es ist. Oder geht’s ihnen in Wirklichkeit ums Nichtstun? Weil sich ja, damit alles gleich, oder zumindest ähnlich, bleibt, eine Menge ändern müsste. Wobei: Natürlich brauchen wir sinnvolle politische Rahmenbedingungen, wenn unser Planet auch in hundert oder zweihundert Jahren noch erstrebenswertes menschliches Leben zulassen soll. Aber: Wir können alle beitragen, ab sofort. Zug- statt Flugreisen, Nahrungsmittel von nebenan, nach einer Zählung aller elektrischen Verbraucher im Haushalt die Hälfte stilllegen. Kein Kapselkaffee, mehr reparieren. Solarpaneele statt Swimmingpool. Im Geschäft statt im Internet einkaufen. Jute statt Plastik (die Kampagne ist übrigens einundvierzig Jahre alt), oder noch besser, überhaupt weniger Drumherum. Und, und …
Aber jedenfalls wird jetzt demonstriert. Und zwar von denen, die mehr betroffen sind als wir Wirtschaftswunderfossile. Sofort sind Besserwisser am Plan, die sich fragen, ob die Kids denn in ihrem eigenen Alltag ausreichend klimaschützerisch unterwegs seien. Ach ja, und selbst? Und Oberlehrer, die meinen, die dürften bloß nach der Schulzeit streiken. Wie klug ist ein Erwerbstätiger, der in seiner Freizeit streikt? Und Besorgte, die vermuten, dass hinter dieser Greta auch irgendwelche Geschäftsinteressen stecken. Und schon sind die Interessen der Öl-Lobby entschuldigt?
Vielleicht wäre eine menschenfreie Welt gar nicht so schlimm. Zumindest, wenn man in Erdzeitaltern denkt. Grüne Panzerfische würden dort schwimmen, wo einst in Venedig der Markusplatz war. Interessante Ameisenvölker könnten in Washington einen Staat nach ihrer Art bauen. Wien wäre wirklich wienerfrei und wer Frack trüge, tanzte am Südpol und nicht auf dem Opernball. Aber irgendwie mag ich unsere seltsame Spezies. Und auch die Idee, angeführt von der nächsten Generation endlich einiges zu ändern, damit das Wesentliche nicht ganz anders wird. Quasi Erd-Solidarität reloaded. Allein wie viel wir gewinnen würden, wenn wir weniger (unnötiges) Zeug auspacken … Geschweige denn, wenn weniger Verpackung, dafür sinnvoller Inhalt zu einem durchgängigen Motto würde … Eva Rossmann