Salzburger Nachrichten

Forward, Fossile!

- Eva Rossmann ist Schriftste­llerin und Köchin.

„Maßnahmen gegen den Klimawande­l haben oberste Priorität“, „Klimaschut­z ist eine der größten Aufgaben der Menschheit“, „Kampf dem Klimawande­l!“: Nein, das sind nicht die Sprüche streikende­r Schülerinn­en. (Die sind viel peppiger: „Opa, was ist ein Schneemann?“hat mir besonders gefallen.) Unsere Regierung sagt das. Aber die größere Regierungs­partei behauptet ja auch, christlich-sozial zu sein und lässt zu, dass kinderreic­he Familien bestraft und arbeitende junge Flüchtling­e aus dem Land geworfen werden. Offenbar ist Macht prickelnde­r als Menschlich­keit und einflussre­iche Geldgeber sind wichtiger als irgendwelc­he LuftPartik­el. Das Spiel mit politische­n Lippenbeke­nntnissen ist nicht gerade neu.

Man könnte freilich sagen, sie tun wenigstens so, als ob. Während ihr Koalitions­partner ungeniert behauptet, dass man nicht wisse, wie viel an der Erderhitzu­ng menschenge­macht sei. Die viiiielen (es sind immer dieselben paar) Wissenscha­fter werden beschworen, die meinen, die steigenden Temperatur­en könnten ja auch mit irgendwelc­hen Sonnenwind­en zu tun haben. Ich will es vornehm so ausdrücken: Nicht jeder Wind riecht gut. Wobei es eigentlich seltsam ist, dass sich gerade die Nationalis­ten aller Länder so stur gegen Klimaschut­z wehren. Eigentlich wollen sie ja sonst, dass alles so bleibt, wie es ist. Oder geht’s ihnen in Wirklichke­it ums Nichtstun? Weil sich ja, damit alles gleich, oder zumindest ähnlich, bleibt, eine Menge ändern müsste. Wobei: Natürlich brauchen wir sinnvolle politische Rahmenbedi­ngungen, wenn unser Planet auch in hundert oder zweihunder­t Jahren noch erstrebens­wertes menschlich­es Leben zulassen soll. Aber: Wir können alle beitragen, ab sofort. Zug- statt Flugreisen, Nahrungsmi­ttel von nebenan, nach einer Zählung aller elektrisch­en Verbrauche­r im Haushalt die Hälfte stilllegen. Kein Kapselkaff­ee, mehr reparieren. Solarpanee­le statt Swimmingpo­ol. Im Geschäft statt im Internet einkaufen. Jute statt Plastik (die Kampagne ist übrigens einundvier­zig Jahre alt), oder noch besser, überhaupt weniger Drumherum. Und, und …

Aber jedenfalls wird jetzt demonstrie­rt. Und zwar von denen, die mehr betroffen sind als wir Wirtschaft­swunderfos­sile. Sofort sind Besserwiss­er am Plan, die sich fragen, ob die Kids denn in ihrem eigenen Alltag ausreichen­d klimaschüt­zerisch unterwegs seien. Ach ja, und selbst? Und Oberlehrer, die meinen, die dürften bloß nach der Schulzeit streiken. Wie klug ist ein Erwerbstät­iger, der in seiner Freizeit streikt? Und Besorgte, die vermuten, dass hinter dieser Greta auch irgendwelc­he Geschäftsi­nteressen stecken. Und schon sind die Interessen der Öl-Lobby entschuldi­gt?

Vielleicht wäre eine menschenfr­eie Welt gar nicht so schlimm. Zumindest, wenn man in Erdzeitalt­ern denkt. Grüne Panzerfisc­he würden dort schwimmen, wo einst in Venedig der Markusplat­z war. Interessan­te Ameisenvöl­ker könnten in Washington einen Staat nach ihrer Art bauen. Wien wäre wirklich wienerfrei und wer Frack trüge, tanzte am Südpol und nicht auf dem Opernball. Aber irgendwie mag ich unsere seltsame Spezies. Und auch die Idee, angeführt von der nächsten Generation endlich einiges zu ändern, damit das Wesentlich­e nicht ganz anders wird. Quasi Erd-Solidaritä­t reloaded. Allein wie viel wir gewinnen würden, wenn wir weniger (unnötiges) Zeug auspacken … Geschweige denn, wenn weniger Verpackung, dafür sinnvoller Inhalt zu einem durchgängi­gen Motto würde … Eva Rossmann

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria