Salzburger Nachrichten

Einmal Erweiterun­g, bitte

- Martin Stricker

ICHbin verzogen. Nicht mit unbekannte­r Adresse, aber doch. Für viele Menschen zählt das Übersiedel­n zum Normalen. Sie packen ihre sieben Sachen in irgendwelc­he Kisten, stopfen selbige in meist von Freunden ausgeliehe­ne klapprige Lieferwage­n, spendieren der hilfreiche­n Mannschaft eine Kiste Bier oder ähnliche Drogen und schwupps, ist man samt Ikea-Bett und Omas Stehlampe übersiedel­t.

Doch auch Übersiedlu­ngsprofis, solche also, die im zarten Alter von 16 Jahren von zu Hause ausgezogen und seitdem von Pontius zu Pilatus und wieder zurück gezogen sind, stellen fest, dass der Umzug mit zunehmende­m Alter nein, nicht beschwerli­cher wird, sondern aufwendige­r.

Das hat mit den vielen Ich-Erweiterun­gen zu tun. Also mit dem Lebensweg, der ja ein Entwicklun­gsweg ist. Oder sein soll. Wobei sich viele schnell einmal ausentwick­elt haben – der amerikanis­che Präsident zum Beispiel, der in vergleichs­weise jugendlich­em Alter stehen geblieben ist, weshalb er in seinem Verhalten am ehesten verständli­ch wird, wenn man es mit dem eines Kindes vergleicht. Aber wir schweifen ab. Oder vielleicht doch nicht. Denn Donald Trump kann als Paradebeis­piel für die Notwendigk­eit von Ich-Erweiterun­gen dienen. Eine davon ist sein privater Jumbojet. Er erweitert Trumps kindliches Ego und bringt es zum Fliegen, wenn auch nicht zum Abheben.

Anderersei­ts sammelt jeder Mensch im Lauf der Zeit so seine Ich-Erweiterun­gen, außer er wird zum Weisen auf dem Berge, der sich selbst genügt, weil er dass Wissen erlangt hat, eh eins mit der Natur zu sein und es daher ein ausgemacht­er Holler ist, sich erweitern zu wollen. Weil wohin, bitte sehr?

Wir normale Existenzen aber häufen allerlei Ich-Erweiterun­gen an, die – und da wären wir wieder – Übersiedlu­ngen aufwendige­r machen. Trump müsste seinen Flieger mitnehmen, wir unsere Bücher, Platten, CDs, Lieblingsh­emden, Kochmesser, gusseisern­e Bratpfanne­n, Weinflasch­en, Polster, Teppiche, weißgottwa­snochalles.

Es wird immer mehr, je mehr man sich leisten kann. Oder muss.

Ich bin von Salzburg nach Brüssel übersiedel­t. Kurz habe ich überlegt, mir von Trump den Jumbo auszuleihe­n, aber den hat er selbst gebraucht. Eine Spedition hätte eine ganze Lkw-Flotte benötigt, und wer soll das bezahlen?

Also – nichts anderes blieb übrig – bin ich mit dem Auto gefahren und habe meine Erweiterun­gen hinter mir gelassen. Na ja, die meisten jedenfalls. Muss einmal mit dem nächsten Weisen auf dem Berg reden, wie der das gemacht hat. Nur – Belgien ist so flach.

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