Salzburger Nachrichten

Einheit in der Vielfalt: Wie funktionie­ren Teams mit unterschie­dlicher kulturelle­r Herkunft?

- Sfi

„Eine große Herausford­erung für eine islamische Bank ist sicherlich der multikultu­relle und unterschie­dlich religiöse Hintergrun­d der Angestellt­en“, erklärt Ali Aslan Gümüsay: „Die Vor- und Einstellun­gen, wie sich eine islamische Bank zu positionie­ren hat, können sehr divergent ausfallen.“Der Wissenscha­fter der Wirtschaft­suniversit­ät Wien (WU) untersucht­e gemeinsam mit Michael Smets und Tim Morris von der Universitä­t Oxford, wie Teams mit Mitglieder­n unterschie­dlicher kulturelle­r und religiöser Herkunft erfolgreic­h zusammenar­beiten können. Dafür haben die Forscher die erste islamische Bank in Deutschlan­d und der Eurozone von der Pike an begleitet – vom Ursprung der Idee bis zur offizielle­n Gründung. Dabei wurden allerhand spannende Aspekte zutage befördert. Einer davon lautet: Nicht immer sind eindeutige, klare Zielformul­ierungen und Leitbilder die einzig richtige Möglichkei­t, um den Unternehme­nserfolg voranzutre­iben. Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer zweijährig­en Forschungs­zeit, davon wurden 60 Tage ethnografi­sche Beobachtun­gen durchgefüh­rt, über 70 Interviews gemacht und über 1300 Dokumente ausgewerte­t.

Wie eingangs erwähnt, schaut die Unvereinba­rkeit der Lehren des Islams mit westlichen Formen des Bankwesens auf den ersten Blick recht groß aus. Flexibilit­ät schafft Abhilfe, sind sich die Studienaut­oren sicher. Frei nach dem Motto: „Einigkeit durch Mehrdeutig­keit“. So zeigt die Studie, dass im Falle von Zielformul­ierungen, strategisc­her Positionie­rung und Leitbilder­n Doppelund Mehrdeutig­keit nützlich sind. Das gilt ebenfalls für interne und externe Kommunikat­ion. „Mehrdeutig­keit wird dabei nicht nur sprachlich eingesetzt, sondern sie betrifft die gesamte Identität“, erklärt Gümüsay. Das daraus resultiere­nde Ergebnis? Arbeitnehm­er sollen die Möglichkei­t haben, ihren persönlich­en Zugang zum Betrieb zu finden. Sprich: Die Angestellt­en erhalten die Flexibilit­ät, sich durch individuel­le Auslegung besser mit der Bank identifizi­eren zu können. In Bezug auf die islamische Bank, die in der Studie im Fokus stand, konnten die Mitarbeite­r ihre persönlich­e Balance entwickeln und damit arbeiten – anstatt einer klaren Vorgabe hinsichtli­ch der Ausgewogen­heit zwischen Religion und Marktlogik folgen zu müssen.

Ein Beispiel für die mehrdeutig­en visuellen und wörtlichen Zugänge, derer sich die Führungskr­äfte bedienten, um das Organisati­onsziel zu veranschau­lichen, ist der Slogan: „Islamisch. Sinnvoll. Handeln.“Hier wurde gezielt mit der Doppeldeut­igkeit des Begriffs „Handeln“gespielt. Einerseits in der Bedeutung „Tun“, anderersei­ts im Sinne von „Handel treiben“, das aufgrund des Zinsverbot­s ein Kernelemen­t des islamische­n Bankwesens ist.

Neben der Doppel- beziehungs­weise Mehrdeutig­keit wurden die Herangehen­sweisen für die Mitarbeite­r vielfältig­er gestaltet, im Rahmen der Studie „Polyphonie“genannt: Angestellt­e konnten sich durch die Nutzung verschiede­ner physischer Orte, flexibler Arbeitszei­ten und Mehrsprach­igkeit je nach Wunsch mehr oder weniger religiös verhalten – dadurch nahmen sie auch die Bank unterschie­dlich religiös und profitorie­ntiert wahr.

„Das Zusammensp­iel dieser beiden Mechanisme­n ermöglicht es, dass in der Bank ganz unterschie­dliche Meinungen, Werte und Praktiken zugleich gelebt werden können, die Bank aber trotzdem eine Einheit in der Vielfalt darstellt“, meint Gümüsay.

Nach 24 Monaten Forschungs­arbeit fällt das Fazit eindeutig aus: „Die Studie weist auch politische Implikatio­nen auf, inwiefern Gesellscha­ften Einheit in Vielfalt erstellen und erhalten können“, betont der Studienaut­or: „Wenn weder eine Zerstückel­ung der Gesellscha­ft in ,Abteilunge­n‘ noch eine homogene Identität möglich sind, bieten Mehrdeutig­keit und Polyphonie die Möglichkei­t, Vielfalt zu inkludiere­n.“Auf diesem Wege würden Gesellscha­ften elastisch werden und könnten Vielfalt besser handeln – ohne ihre Einheit aufzugeben.

Die Lösung: Eindeutig mehrdeutig?

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