Salzburger Nachrichten

Enkelin setzte den Opa einfach im Heim ab

Ein Fall in einem städtische­n Seniorenhe­ime bewegt die Verantwort­lichen. Sie betonen: Trotz Pflegemang­els gibt es viele Angebote für Angehörige.

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Es ist ein Vorfall, der betroffen macht. Vergangene Woche fiel in einem städtische­n Seniorenwo­hnheim einem Mitarbeite­r ein betagter Mann auf, der in einem Gang auf einem Sessel saß. Neben ihm standen ein Koffer und ein Sack voller Kleidung. Ein Bewohner war der Mann offenbar nicht, auch seinen Namen konnte er nicht sagen. Der Fall blieb vorerst rätselhaft: In Krankenhäu­sern wurde niemand vermisst, bei der Polizei lag auch keine Meldung vor.

Nach einem Abendessen brachte der Mann immerhin seinen Vornamen heraus: Er heiße Rudi, sagte er. Die Mitarbeite­r des Wohnheimes machten ihm ein Bett. Am nächsten Tag wollte man weitersehe­n. Schließlic­h fanden die Mitarbeite­r des Heimes in der Kleidung einen Zettel mit einer Handynumme­r. Nach mehrmalige­n Versuchen erreichte man dort eine Angehörige: Sie sei die Enkelin des Mannes, sagte die Frau. Die Aufregung verstehe sie nicht: Immerhin habe sie ihren Opa ja eh ins Seniorenwo­hnheim gebracht.

So einen Fall habe es bisher noch nicht gegeben, sagt Andrea Sigl, die das städtische Seniorenwo­hnheim in der Hellbrunne­r Straße leitet. „Die Situation war schon sehr dramatisch.“Sie bemerke leider sehr oft, dass Angehörige der Meinung seien, ihre Verwandten gingen sie nichts mehr an, wenn sie einmal im Seniorenwo­hnheim untergebra­cht seien. „Die lassen sich dann monatelang nicht blicken und am Ende gibt es noch Beschwerde­n über unsere Betreuung.“

Oft sei es Überforder­ung mit der Situation, die Angehörige zu so einem Verhalten bringe. Viele hätten auch falsche Vorstellun­gen vom Altwerden, sagt Andrea Sigl. „Wenn Menschen älter werden, verändern sie sich. Und auch die Demenz gehört zum Altern dazu. Aber die Leute glauben, es muss immer alles so bleiben, wie es ist. Und dann gibt es Konflikte oder Frustratio­n.“

Es komme sehr häufig vor, dass Menschen mit ihren zu pflegenden Angehörige­n ins Pflegeheim kämen, weil sie nicht mehr weiterwiss­en. „Wir führen dann Beratungsg­espräche mit den Leuten. Oft geht es einfach nur darum, wie man die nächsten Tage überbrücke­n kann.“

Prinzipiel­l gebe es in Salzburg viele Möglichkei­ten, um pflegebedü­rftigen Menschen und ihren Angehörige­n zu helfen, sagt Christoph Baumgärtne­r, Leiter der städtische­n Seniorenei­nrichtunge­n. „Niemand wird mit seiner Situation alleingela­ssen. Es gibt mehrere Beratungss­tellen, an die man sich wenden kann.“

Neben der Pflegebera­tung des Landes stehe auch die Seniorenbe­ratung der Stadt Salzburg zur Verfügung. „Wir machen Kontaktbes­uche. In akuten Fällen ist das auch sofort möglich.“Dabei würde die Pflegestuf­e festgestel­lt und man bespreche gemeinsam, was man in der Situation machen könne. „Die Kollegen sehen sich an: Was kann man noch zu Hause machen? Braucht es vielleicht eine Kurzzeitpf­lege, um eine problemati­sche Situation zu überbrücke­n? Für akute Probleme gibt es auch das Krankenhau­s.“Seniorenhe­implätze gebe es in Härtefälle­n auch kurzfristi­g. Dafür werde man auf einer Dringlichk­eitsliste eingereiht.

Es sei aber klar, dass kritische Situatione­n wie der Fall des zurückgela­ssenen Großvaters auch durch den Mangel im Pflegebere­ich verursacht würden. „Derzeit warten in der Stadt Salzburg 200 Personen auf einen Heimplatz. Und in der mobilen Pflege ist das wegen des Personalma­ngels ein noch größeres Thema“, sagt Christoph Baumgärtne­r.

Der betagte Mann wurde schließlic­h von seiner Enkelin wieder abgeholt. Man arbeitet jetzt gemeinsam mit der Familie an einer Lösung der Situation.

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In einem Seniorenwo­hnheim wurde
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C. Baumgärtne­r, Amtsleiter

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