Eine Frage des Gebisses
Der Donnerstag dieser Woche war fiskalisch gesehen ein hoher Feiertag. Denn am 21. März vor exakt 660 Jahren führte der damalige Herzog Rudolf IV. der Stifter in Österreich eine neue Steuer, das sogenannte Ungeld, ein.
Er stiftete damit die Unsitte des Staates, die Hand aufzuhalten, wenn andere Leute unter Durst leiden. Beim Ungeld handelte es sich nämlich um eine Getränkesteuer. Sie betrug zehn Prozent auf ausgeschenkten Wein, wurde von den Wiener Gastwirten aber angeblich sehr geschickt gehandhabt.
Sie ließen den Weinpreis nämlich unverändert, verkleinerten aber das für die Ausschank verwendete Maß, den sogenannten Achterling, einfach um zehn Prozent. Fortan tranken die Wiener also keinen Achterling mehr, sondern einen Siebenkommazweierling.
Dabei konnten sie noch von Glück reden, dass sie anno 1359 lebten und nicht heute. Denn bei der aktuellen Ungeldund Abgabenquote von annähernd 45 Prozent könnten sie sich höchstens noch einer Viererling leisten.
Und das, obwohl unsere Regierungsparteien im Wahlkampf hoch und eilig versprochen haben, das in Österreich so ungemein umfangreiche Ungeld umgehend zu senken. Dieses unvergessliche und unter die Haut gehende Versprechen hat sich mittlerweile leider (mit Ausnahme des Familien-Ungelds) als ungehaltenes Unversprechen herausgestellt, was den gelernten Österreicher aber nicht wirklich w-un-dert und daher auch nicht ungehalten macht.
Das Versprechen kam damals übrigens von ÖVP und FPÖ gleichermaßen. Wie ja überhaupt immer öfter die Frage aufgeworfen wird, ob sich die beiden Parteien nicht immer ähnlicher werden. Dazu langte unlängst eine ungeheuer unerwartete Antwort von ungewöhnlicher Seite ein – der Universitätsfraktion der Linguisten. Nach Meinung der Sprachwissenschafter wurzeln ÖVP und FPÖ (kurz V und F genannt) beide gleichermaßen in der Jungsteinzeit!
Und das kommt so: In der Altsteinzeit waren die Menschen noch Jäger und Sammler, die sich von zähem Fleisch und harten Körndln ernährten. Um diese Nahrung zu zerkleinern, brauchten sie ein überaus leistungsfähiges Gebiss, bei dem die Schneidezähne des Oberund des Unterkiefers nicht den heute üblichen Vorbiss bildeten, sondern Kante auf Kante standen.
Mit einem solchen Gebiss war es den Menschen der Altsteinzeit zwar offenbar möglich, die Laute S und G und sogar „Neos“und „Liste Jetzt“zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervorzustoßen. (Auch heutige Wähler sollen ja mitunter mit zusammengebissenen Zähnen operieren.) V und F zu sagen war mit diesem Gebiss aber kaum zu bewerkstelligen. Sagt die Linguistik.
Daraus ist zu schließen, dass ÖVP und FPÖ in der Altsteinzeit noch nicht existierten. Sondern dass sie erst das Licht der Welt erblickten (bzw. umgekehrt), als der Mensch zu kochen begann. Denn um weich gekochte Speisen zu verzehren, brauchte es kein so kräftiges Gebiss mehr. Ab der Jungsteinzeit entstand somit der heute übliche Vorbiss, und fortan konnte der Mensch ganz leicht V und F sagen und brauchte sich nicht mehr vergebens nach Volkspartei und Freiheitlichen zu verzehren.
Unsere derzeitigen Regierungsparteien verdanken ihre Existenz also linguistisch-historisch gesehen dem Kochen, während die Oppositionsparteien eher auf der Basis der Rohkostler und MüsliEsser fußen. Möglicherweise wäre es für die vereinigte Opposition also eine Erfolg versprechende Strategie, sich für ein erhöhtes Ungeld auf Lagerfeuer, Holzkohlegriller, Mikrowellenherde und Ceranfelder einzusetzen. Auf dem Umweg über eine Änderung des menschlichen Gebisses könnten sie Schwarz-Blau so eventuell die Zähne ziehen.