Salzburger Nachrichten

Eine Frage des Gebisses

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Der Donnerstag dieser Woche war fiskalisch gesehen ein hoher Feiertag. Denn am 21. März vor exakt 660 Jahren führte der damalige Herzog Rudolf IV. der Stifter in Österreich eine neue Steuer, das sogenannte Ungeld, ein.

Er stiftete damit die Unsitte des Staates, die Hand aufzuhalte­n, wenn andere Leute unter Durst leiden. Beim Ungeld handelte es sich nämlich um eine Getränkest­euer. Sie betrug zehn Prozent auf ausgeschen­kten Wein, wurde von den Wiener Gastwirten aber angeblich sehr geschickt gehandhabt.

Sie ließen den Weinpreis nämlich unveränder­t, verkleiner­ten aber das für die Ausschank verwendete Maß, den sogenannte­n Achterling, einfach um zehn Prozent. Fortan tranken die Wiener also keinen Achterling mehr, sondern einen Siebenkomm­azweierlin­g.

Dabei konnten sie noch von Glück reden, dass sie anno 1359 lebten und nicht heute. Denn bei der aktuellen Ungeldund Abgabenquo­te von annähernd 45 Prozent könnten sie sich höchstens noch einer Viererling leisten.

Und das, obwohl unsere Regierungs­parteien im Wahlkampf hoch und eilig versproche­n haben, das in Österreich so ungemein umfangreic­he Ungeld umgehend zu senken. Dieses unvergessl­iche und unter die Haut gehende Verspreche­n hat sich mittlerwei­le leider (mit Ausnahme des Familien-Ungelds) als ungehalten­es Unversprec­hen herausgest­ellt, was den gelernten Österreich­er aber nicht wirklich w-un-dert und daher auch nicht ungehalten macht.

Das Verspreche­n kam damals übrigens von ÖVP und FPÖ gleicherma­ßen. Wie ja überhaupt immer öfter die Frage aufgeworfe­n wird, ob sich die beiden Parteien nicht immer ähnlicher werden. Dazu langte unlängst eine ungeheuer unerwartet­e Antwort von ungewöhnli­cher Seite ein – der Universitä­tsfraktion der Linguisten. Nach Meinung der Sprachwiss­enschafter wurzeln ÖVP und FPÖ (kurz V und F genannt) beide gleicherma­ßen in der Jungsteinz­eit!

Und das kommt so: In der Altsteinze­it waren die Menschen noch Jäger und Sammler, die sich von zähem Fleisch und harten Körndln ernährten. Um diese Nahrung zu zerkleiner­n, brauchten sie ein überaus leistungsf­ähiges Gebiss, bei dem die Schneidezä­hne des Oberund des Unterkiefe­rs nicht den heute üblichen Vorbiss bildeten, sondern Kante auf Kante standen.

Mit einem solchen Gebiss war es den Menschen der Altsteinze­it zwar offenbar möglich, die Laute S und G und sogar „Neos“und „Liste Jetzt“zwischen den zusammenge­bissenen Zähnen hervorzust­oßen. (Auch heutige Wähler sollen ja mitunter mit zusammenge­bissenen Zähnen operieren.) V und F zu sagen war mit diesem Gebiss aber kaum zu bewerkstel­ligen. Sagt die Linguistik.

Daraus ist zu schließen, dass ÖVP und FPÖ in der Altsteinze­it noch nicht existierte­n. Sondern dass sie erst das Licht der Welt erblickten (bzw. umgekehrt), als der Mensch zu kochen begann. Denn um weich gekochte Speisen zu verzehren, brauchte es kein so kräftiges Gebiss mehr. Ab der Jungsteinz­eit entstand somit der heute übliche Vorbiss, und fortan konnte der Mensch ganz leicht V und F sagen und brauchte sich nicht mehr vergebens nach Volksparte­i und Freiheitli­chen zu verzehren.

Unsere derzeitige­n Regierungs­parteien verdanken ihre Existenz also linguistis­ch-historisch gesehen dem Kochen, während die Opposition­sparteien eher auf der Basis der Rohkostler und MüsliEsser fußen. Möglicherw­eise wäre es für die vereinigte Opposition also eine Erfolg verspreche­nde Strategie, sich für ein erhöhtes Ungeld auf Lagerfeuer, Holzkohleg­riller, Mikrowelle­nherde und Ceranfelde­r einzusetze­n. Auf dem Umweg über eine Änderung des menschlich­en Gebisses könnten sie Schwarz-Blau so eventuell die Zähne ziehen.

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