Leider nichts gelernt
Ein Desaster folgt dem nächsten. 30 Jahre ist es her, dass die „Exxon Valdez“den Ozean mit Rohöl verseuchte. Vor einem Jahr ging der Tanker „Sanchi“in einem gigantischen Feuerball unter. Nun verursachte ein Frachter vor Frankreich die nächste Ökokatastrop
Wir müssen aus der Erdölförderung aussteigen. Jörg Feddern Greenpeace-Aktivist Es ist möglich, in der Arktis verantwortungsvoll zu bohren. Espen Barth Eide Norwegens Außenminister bis 2013
Erdöl bestimmt unser Leben. Wegen Öl werden Kriege geführt, Menschenrechte missachtet und demokratische Prinzipien außer Kraft gesetzt. Aktuell werden etwas über 1000 Fässer Öl pro Sekunde verbraucht – vor allem in Verbrennungsmotoren aller Art, aber auch in der Petrochemie, im Heizölkeller und in Ölkraftwerken. In nur 30 Minuten verschwindet die Ladung eines großen Öltankers. Wegen des Erdöls werden Landschaften vernichtet und Meeresökosysteme auf Jahrzehnte hinaus zerstört.
Vor allem, wenn etwas passiert. So wie am 24. März 1989. Es ist 30 Jahre her, dass an diesem Tag an der Südküste Alaskas der Öltanker „Exxon Valdez“im Prince William Sound havarierte. Der 300 Meter lange Tanker lief auf ein Riff, 40.000 Tonnen Rohöl flossen in die arktischen Gewässer. Ursache des Unglücks war ein Fahrfehler eines zu diesem Zeitpunkt schwer alkoholisierten Kapitäns und seiner völlig übermüdeten Crew. Satellitenbeobachtungen gab es zu der Zeit noch kaum. Niemand konnte die Menschen auf dem Tanker warnen.
Es kamen zwar keine Menschen zu Schaden. Dafür aber die Natur. Die Folgen der bisher größten Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA sind dort bis heute sichtbar. Kalte Gewässer an den Polen unseres Planeten reagieren besonders sensibel auf Störungen. Wenn man heute dort, in Alaska, auf dem Strand ein bisschen gräbt, stößt man noch auf das Erdöl von damals.
Jörg Feddern von Greenpeace Deutschland kümmert sich seit Jahrzehnten um die Folgen von Ölkatastrophen und sagt: „Öl ist zwar ein organischer Stoff, er hat aber höchst giftige Bestandteile, die sich nur sehr langsam abbauen, überhaupt in kalten Gewässern.“Erdöl ist über einen Zeitraum von Jahrmillionen aus abgestorbener Biomasse, vor allem Algen, entstanden. Die Sedimente in den Meeren, Seen und Flüssen sanken im Laufe der Zeit in tiefe Gesteinsschichten, wo sie die passenden Druck- und Temperaturbedingungen für die chemische Konversion vorfanden. Daher ist Erdöl eine komplexe Substanz, die aus Hunderten verschiedenen chemischen Verbindungen besteht. Hauptbestandteile sind Kohlenwasserstoffe, aber auch Schwefel und Stickstoff. In Spuren kommen auch verschiedene Metalle vor.
In der Arktis wurden damals 2400 Kilometer Küste von diesem Zeug verunreinigt. Hunderttausende Seevögel starben, auch Otter, Robben und Grauwale verendeten. Die Heringsbestände haben sich dort bis heute nicht erholt. Damit leidet auch die Fischerei.
Als Folge des Unglücks erließen die USA eine Richtlinie, die sogenannte Oil Pollution Act of 1990, nach der alle Tankerneubauten über eine Doppelhülle verfügen müssen, um US-amerikanische Häfen anlaufen zu dürfen. Heute verkehrt kein Tanker mehr ohne eine solche Schutzmaßnahme, die zwar teuer ist, sich aber letztlich für die Ölunternehmen lohnt. Damals beschäftigte Exxon mehr als drei Jahre lang 11.000 Mitarbeiter, um das Rohöl in der Arktis wenigstens halbwegs zu beseitigen. Die Menschen schafften es gerade einmal, in der Zeit sieben Prozent des ausgeflossenen Öls zu entfernen.
In den vergangenen zehn Jahren wurden – dank immer strengerer Vorschriften, Schutzkonventionen und solider Überwachung der Seewege mittels Satellitentechnik – die Tankerunfälle weniger, obwohl immer mehr Erdöl mit Schiffen transportiert wird. Das letzte große Unglück ereignete sich im Jänner 2018. Der iranische Öltanker „Sanchi“war etwa 300 Kilometer östlich von Schanghai mit einem chinesischen Frachter zusammengestoßen, sofort in Brand geraten und nach mehreren Explosionen gesunken. Alle 32 Seeleute an Bord kamen ums Leben. Die „Sanchi“hatte 111.000 Tonnen Ölkondensat – ein besonders hochwertiges Leichtöl – und bis zu tausend Tonnen Schweröl als Treibstoff an Bord. Aktuell sind Frankreich und Spanien mit dem Untergang der „Grande America“beschäftigt, die neben Containern mit Salz- und Schwefelsäure auch mit Schweröl beladen war.
Ölunfälle durch Tanker haben an der Verschmutzung der Meere mittlerweile einen geringeren Anteil. Das größte Problem bleibe die schleichende Verölung durch Abwässer und die Schifffahrt, sagt Feddern.
Einstweilen wird es in der Arktis immer wärmer. Der Schiffsverkehr profitiert vom Klimawandel. Im August 2008 waren dort die Nordost- und Nordwestpassage erstmals gleichzeitig eisfrei. Seitdem hätten sich die Zeiten im Sommer verlängert, wo die beiden Strecken für Schiffe ohne Unterstützung von Eisbrechern befahrbar seien, sagt der Meereis-Experte Christian Haas vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Noch nutzen nur wenige Frachter die Routen durchs Nordpolarmeer. Langfristig wird sich das nach Ansicht von Experten aber ändern. Biologen fürchten deshalb um die einmalige Tierwelt und fordern Umweltvorschriften für die Schifffahrt. Im Gegensatz zur Antarktis gibt es diese für die Nordost- und die Nordwestpassage in der Arktis nicht.
Seit seiner Ankündigung, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen, hat Donald Trump – teils hinter vorgehaltener Hand und teils völlig offen – sein Projekt der Deregulierung des Umweltsektors rigoros durchgezogen. Kohlebergwerke dürfen ihren Abfall jetzt wieder in die umliegenden Flüsse kippen. Und: Ölmultis dürfen in der Arktis nach Rohstoffen bohren. Denn in der Arktis schlummern riesige Vorkommen an Erdgas.
Wenn die Menschheit weiterhin Öl und Gas fördert, kann das Ziel vergessen werden, den weltweiten Temperaturanstieg auf „nur“1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dennoch hat die norwegische Regierung im Juni 2016 neue Ölförderlizenzen in der Arktis an insgesamt 13 Ölkonzerne vergeben.