Wenn die Welt aus den Angeln gerät
Gegen den Pessimismus: Hannes Androsch plädiert für die Vereinigten Staaten von Europa.
WIEN. Hannes Androsch, einst Vizekanzler, Finanzminister, Bankdirektor, heute erfolgreicher Industrieller und Musterbeispiel eines engagierten Bürgers, hält wieder einmal dagegen: Gegen die Nationalisten, die Europa in einen politischen Flickenteppich verwandeln wollen. Gegen die Krisenapokalyptiker, die den Kontinent am Rande des Abgrunds sehen. Gegen die Populisten, die die Bürger in eine unsichere Zukunft lügen, siehe Brexit.
In seinem neuen Buch „Europa vor der Entscheidung“, verfasst gemeinsam mit Johannes Gadner und Bettina Poller vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung, plädiert Androsch für ein „starkes und geschlossenes Europa“. „Das vor allem in westlichen Gesellschaften dominierende Unbehagen speist sich aus einer unübersichtlich gewordenen Welt, einer aufgewühlten und aus den Angeln geratenen Welt voller Umbrüche und Umwälzungen“, schreiben Androsch und seine Koautoren – und sie appellieren gleichzeitig an den Optimismus: „Unsere Zeit ist aber auch gekennzeichnet durch eine unvergleichliche Verbesserung des Lebensstandards großer Teile der Menschheit sowie durch bis dato ungeahnte Chancen, die der wissenschaftliche, medizinische und technologische Fortschritt eröffnet.“
Wie kann nun dieses „starke und geschlossene Europa“aussehen, das sich Androsch wünscht? Die Autoren plädieren für eine „gemeinsame Entwicklung von Technologien und Ausrüstung mit strategischer Bedeutung“, für gemeinsame europäische Anstrengungen in der Sicherheits-, Finanz- und Wirtschaftspolitik bis hin zur Bildungspolitik. „Das alles kann naturgemäß nicht gelingen ohne Verzicht auf Teile der politischen Souveränität.“Daher: „Es braucht die Schaffung der ,Vereinigten Staaten von Europa‘.“Dass die derzeitige Bundesregierung diesen Kraftakt zustande bringt, glaubt Androsch offenkundig nicht: „Wenn man im eigenen Land einen Mindestlohn von 1,50 Euro festsetzt und glaubt, dass man mit 150 Euro leben kann, ist das das Gegenteil davon, was notwendig ist“, sagte er am Montag bei der Buchpräsentation.