Salzburger Nachrichten

Von Brexit, Fuchsjagd und Dancing Stars

Was das Tohuwabohu im britischen Unterhaus mit einem alten, fetten Freund zu tun haben könnte.

- PURGER TORIUM Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Das Gezerre um den (man kann das Wort nicht mehr hören!) Brexit weist frappieren­de Ähnlichkei­ten mit der Fernseh-Lustbarkei­t „Dancing Stars“auf. Beides zieht sich über Monate, in regelmäßig­en Abständen finden Abstimmung­en statt und die Hälfte der Beteiligte­n sind schauderha­fte Dilettante­n.

Warum der ORF seinen wehrlosen Gebührenza­hlern im Hauptabend­programm einen tänzelnden Stefan Petzner serviert, wird man nie erfahren. Was den Grund für das BrexitChao­s betrifft, gibt es hingegen eine interessan­te Theorie: Die Briten, so heißt es, lieben einfach spleenige Politiker, denen ein gelungener Scherz wichtiger ist als das eigene Schicksal und das Schicksal ihres Landes.

Diese Theorie wird von einem Mann gestützt, der heute zu Unrecht nur noch für seine Torte berühmt ist – dem Fürsten Pückler. Der deutsche Adelige bereiste in den 1820erJahr­en die Britischen Inseln und lieferte in Hunderten Briefen detaillier­te Beschreibu­ngen der dortigen Landschaft und Seele. In einem der Briefe erwähnt er einen Dandy einfacher Herkunft, der seine Stellung in der höchsten Gesellscha­ft nur seiner Erfindung der gestärkten Halsbinde und seinem geschliffe­nen Mundwerk verdankte.

Eines Abends war der Dandy bei einem Prinzen eingeladen und erlaubte sich auf dessen Kosten einen bösen Scherz. Fingerschn­ippend rief er ihm quer über den Tisch zu, er möge für ihn nach dem Diener klingeln. Alles lachte, der Prinz jedoch rief scheinbar ungerührt den Butler herbei. Als dieser erschien, sagte er ruhig „Diese Person verlangt ihren Wagen“und warf den Dandy damit hinaus.

Wie das Leben so spielt, begegneten sich die beiden kurz darauf auf der Straße. Man tat so, als würde man sich nicht kennen. Der Prinz war aber in Begleitung eines Offiziers, mit dem auch der Dandy bekannt war. Er trat auf den Oberst zu und erkundigte sich, durch das Lorgnon befremdet auf den Prinzen blickend: „Wer, zum Teufel, ist Euer alter, fetter Freund dort, mit dem Ihr gerade spracht?“

Eine weitere Beobachtun­g, von der Pückler in seinen Briefen berichtet: Niemals und unter keinen Umständen seien die englischen Postkutsch­en bereit gewesen, außerplanm­äßig zu halten und dadurch den Fahrplan zu missachten. Nur einmal, als ein Fuchs die Straße kreuzte, der soeben dem Trupp einer Fuchsjagd entwischt war, sei der Postkutsch­er völlig aus dem Häuschen geraten und habe einen riesigen Umweg gemacht, um die Jäger wieder auf die Fährte des Fuchses zu leiten.

Angesichts des Tohuwabohu im britischen Unterhaus fragt man sich: Haben die Abgeordnet­en ihren Kopf auch bei der Fuchsjagd? Oder halten sie die EU für den alten, fetten Freund?

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