„Ohne Singen würde ich verhungern““
Nichts bereuen, nach vorn schauen: Maria Bill bleibt Edith Piaf auf immer treu.
SALZBURG. Ohne Schauspielerei geht es leicht. Ohne Singen ging es gar nicht. Daher ist Maria Bill, die vor wenigen Wochen 70 Jahre alt wurde, wieder mit Liedern der 1963 verstorbenen französischen Sängerin Edith Piaf auf Tournee.
Bill und Piaf – das ist auf der Bühne seit rund 40 Jahren eine enge Beziehung. Was macht diese Beziehung so besonders?
SN: In einem Interview war einmal die Rede von einer Abschiedstour, das war vor sechs Jahren. Dauert diese Tournee immer noch an?
Maria Bill: Nein, damals war diese Abschiedstournee gedacht für meine eigenen Lieder von damals in ihren alten Versionen. Es ging also nicht ums Singen, sondern nur um diese Lieder. Denn ganz ohne singen – das geht für mich ja gar nicht. Und die Lieder von Piaf, Brel oder Weill mache ich weiterhin. Das sind meine Sonneninseln. Ich würde verhungern ohne das.
SN: Welche Bedeutung hat denn im Speziellen Edith Piaf für Ihre Karriere?
Die Bedeutung wurde immer stärker. Ich war zunächst mit den Liedern der Piaf gar nicht so vertraut wie mit denen von Jacques Brel. Dessen Lieder habe ich immer mit mir herumgetragen. Die Lieder von Edith Piaf kannte ich, weil sie meine Mutter in der Küche gesungen hat. Und dann gab es die Chance, das auf der Bühne zu machen.
SN: Diese Aufführung der Piaf-Biografie war 1982 ein großes Ereignis der Wiener Theatersaison. Sie wurden als „Spatz von Wien“gefeiert.
Ich hatte zwar einen Heidenrespekt gehabt vor dem Werk von Piaf, aber es hat mich sehr ergriffen. Und durch mein eigenes Älterwerden wurde die Sicht auf diese Lieder immer intensiver. Es zeigen sich immer neue Nuancen. Zärtlichkeit, Verständnis und Berührtheit wurden immer bedeutsamer. Es imponiert mir auch ihre Kraft, ums Überleben zu kämpfen. Denn das musste diese Frau wirklich – von klein auf.
SN: Haben Sie ein Lieblingslied?
Das ist schwer. Es hängt auch von Stimmungen ab. Aber eine wirklich schöne Idee ist und bleibt „Non, je ne regrette rien“. Sich klar zu machen, dass man sein Leben lebt, dass man Fehler gemacht hat, die niemandem wehgetan haben, dass man immer nach vorn schaut – das alles ist in jedem Lebensabschnitt eine gute Sache. Dieses Lied zu singen in der Hoffnung, dass man das stets von Herzen tut, gibt immer wieder Kraft.
SN: Fühlen Sie eine innere Verwandtschaft mit Edith Piaf?
Das kann ich schwer sagen, ich lebe einfach mit ihr und mit diesen Liedern. Eine Verwandtschaft? Eher nicht. Ich hatte sicher auch Schicksalsschläge, aber so ein schreckliches Leben am Abgrund wie sie – nein, nein, das hatte ich nicht. Verbunden fühle ich mich sicher durch die Leidenschaft für die Musik, die einen auf der Bühne halt so vieles vergessen macht.
SN: Inwiefern?
Nun, Edith Piaf musste immer kämpfen, wäre als Kind fast verhungert, war verwahrlost, und dann, Jahre später, singt sie auf der Bühne die Menschen glücklich. Das gibt Kraft.
SN: Ist dieses „Glücklichsingen“auch der Grund für Sie zu singen?
Ja, das ist es. Ich will Emotionen hervorrufen. Und man fühlt sich einfach weniger allein, wenn man das teilt.
SN: Geht das als Sängerin besser als als Schauspielerin?
Ganz sicher. Die Musik kann Emotionen besser übertragen. Es ist intensiver, berührt noch mehr und hat eine zusätzliche Dimension, die ganz unmittelbar wirkt, der man sich auch schwer entziehen kann.
SN: Wie kam es dazu, dass Sie irgendwann weniger Sängerin als Schauspielerin wurden?
Ich habe Klavier lernen müssen und dann schon meine eigenen Lieder geschrieben. Das Singen war immer meine Leidenschaft – der Beruf war die Schauspielerei. Lieder, die ich selber geschrieben habe, lagen lang schon in der Schublade, bevor ich sie aufgenommen habe. Das Unbedarfte von damals, dass ich das Liedschreiben nie gelernt habe, ist eigentlich eine sehr gute Voraussetzung für die Chansons.
SN: Wie unbedarft blieb es denn nach dem Hit „I mecht landen“in den frühen 1980erJahren?
Nun, da hab ich schon eine gewisse Unschuld verloren. Der Druck, einen Plattenvertrag zu unterschreiben und Lieder produzieren zu müssen, hat mir irgendwie die Fantasie abgeschnitten. Es gab nicht mehr die unbeschwerte Anfangslust. Ich hätte nichts dagegen gehabt, dass mir Tausende Lieder einfallen – aber es war eben nicht so. Wenn man wieder uneitel bei sich sein kann, dann hat man wieder die Chance, ganz nah zu kommen. Nach drei Platten habe ich ja auch den Vertrag aufgelöst damals.
SN: Sie wurden vor wenigen Wochen 70. Wie sieht das jetzt aus mit der Unbedarftheit?
Jetzt habe ich eine Unmenge Zettel und Ideen herumliegen und ich habe jede Menge Freiheit, darauf zu warten, dass da etwas Richtiges passiert, dass sich etwas ergibt, das mir neue Freude bereitet.
SN: Es hat bei einem Blick auf Ihre Termine nicht den Anschein, als würden Sie leisertreten.
Nun, die Schauspielerei ist abgeschlossen, außer es kommt ein interessantes Packerl daher. Aber in fixem Engagement werde ich das nicht mehr machen. Und so habe ich Zeit für Gesangsprojekte, und da ergeben sich immer wieder neue, spannende Sachen wie jetzt etwa die Beschäftigung mit Eric Satie. Konzert: Maria Bill singt Edith Piaf: Salzburg/Mozarteum, 29. März. Dornbirn, „Wirtschaft“Kultur in der Bar, 11. April.