Doping-Ermittler prüfen auch Körperverletzung
Versuche mit Hämoglobinpulver, Wachstumshormonen und mangelnde Hygiene sind Thema.
Bei den Ermittlungen zum Doping-Netzwerk, das der Sportarzt Mark S. aus Erfurt mit seinem Vater, einem Rechtsanwalt, und weiteren Helfern seit Jahren aufgezogen haben soll, geht es nicht nur um Blutdoping und Sportbetrug. Für die Staatsanwälte in München stehen auch andere Delikte wie etwa Körperverletzung zur Debatte, wurde den SN aus der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping in München bestätigt.
Hintergrund dafür sind die bei der gemeinsamen Razzia mit den österreichischen Behörden in Seefeld in Tirol sowie in Erfurt sichergestellten Präparate sowie die aus Vernehmungen bereits gewonnenen Informationen. Im übertragenen Sinn gelte das auch für Österreich, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck, Hansjörg Mayr, festlegen könne man sich noch nicht.
Wie berichtet, stehen 21 Spitzensportler aus acht Ländern und fünf Sportarten im Verdacht, sich zum Teil seit Jahren von S. bei Eigenblutdoping betreut haben zu lassen. Aus Österreich gaben drei Langläufer sowie zwei Radfahrer zu, Kunden von Mark S. gewesen zu sein. Dazu kommen zwei estnische und ein kasachischer Langläufer. Zumindest zwölf Athleten sind noch nicht bekannt, einer soll an einem Marathon (nicht Ironman) auf Hawaii teilgenommen haben. Der für die Ermittlungen verantwortliche Oberstaatsanwalt Kai Gräber hatte bereits geschildert, dass Sportler auch mit zusätzlichem Blut im Körper auf Langstreckenflüge Richtung Südkorea (Olympia in Pyeongchang 2018) geschickt wurden.
In einer vom Sportarzt gemieteten Garage in Erfurt wurden neben Dutzenden tiefgekühlten Blutbeuteln auch andere Präparate gefunden. Es soll sich unter anderem um Wachstumshormone handeln, aber auch um unbekannte Substanzen. Es müsse nun bei jedem Behälter untersucht werden, ob die allfällige Beschriftung mit dem Inhalt übereinstimme. Bei den Helfern des Sportarztes – vier sitzen in Untersuchungshaft, darunter sein Vater Ansgard, ein Rechtsanwalt in Erfurt mit Funktionen in thüringischen Sportvereinigungen – kommt hinzu, dass sie keine medizinische Ausbildung haben. Mangelnde Hygienestandards sind ein weiteres Problem. Das Setzen der Nadeln zum Blutabzapfen und Rückführen sei nach dem Prinzip „learning by doing“gelernt worden, sagte Gräber. Ein Hämoglobinpulver wurde an einem Sportler getestet, wegen der Nebenwirkungen (der Puls hat sich laut Gräber mehr als verdoppelt und es gab schlechte Blutdruckwerte) sei das abgebrochen worden. Gräber schilderte auch einen Fall, der in Seefeld beobachtet wurde. Der Sportler sei aus einem Gebäude gekommen „wie unter Betäubungsmitteln stehend“. Als Erstes habe er „beide Arme bis zu den Schultern in den Schnee gesteckt“, um seinen Kreislauf wieder zu beruhigen.
„Ein Sportler war wie unter Betäubung und steckte zur Kühlung beide Arme in den Schnee.“Kai Gräber, Staatsanwalt München