Für anonymes Telefonieren
Über Weihnachten peitschte die Regierung eine Registrierungspflicht für Wertkartenhandys durch. Droht ein „Desaster“, wie Kritiker fürchten?
WIEN. Rund 15 Millionen Mobilfunkanschlüsse gibt es in Österreich. Ziemlich genau ein Viertel davon – 3,84 Millionen – entfallen auf Wertkartenhandys. Davon ist wiederum gut die Hälfte nicht registriert, also anonym. Auf sie kommen große Veränderungen zu. Ab September droht die Gültigkeit der Karte zu verfallen, wenn sich der Nutzer nicht registrieren lässt.
Seit 1. Jänner 2019 gilt eine Registrierungspflicht für alle Wertkartenhandys – also vertragsfreie Mobiltelefone, deren Gebrauch im Voraus bezahlt wird („Prepaid-Karte“). Seit Jahresbeginn müssen sich Käufer solcher Geräte mit Namen und Geburtsdatum registrieren lassen. Das gilt auch für bestehende Prepaid-Kunden. Das muss „vor der erstmaligen Wiederaufladung nach dem 1. September 2019“erfolgen, heißt es in der „Identifikationsverordnung“(IVO) des Verkehrsministeriums, die im Dezember beschlossen wurde. Die Begutachtungsfrist von zwei Wochen sei „sportlich“gewesen, räumt Verkehrsminister Norbert Hofer ein. Der Plan dafür sei aber schon seit April 2018 auf dem Tisch gelegen.
Die Maßnahme erfolgte auf Betreiben des Innenministeriums aus „sicherheitspolitischen Überlegun- gen“. Innenminister Herbert Kickl nennt als Beweggrund bessere Möglichkeiten im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. „Vor allem Terroristen und Kriminelle haben in der Vergangenheit immer wieder von der Anonymität der Prepaid-Karten profitiert und diese für ihre Machenschaften genutzt.“Ihnen mache man mit der neuen IVO „einen Strich durch die Rechnung“, bekräftigt der Minister.
Nicht alle Mobilfunkbetreiber teilen diese Auffassung. Michael Krammer etwa, Chef des virtuellen Netzbetreibers Ventocom mit der Hauptmarke „HoT“, die über den Diskonter Hofer vertrieben wird, bestreitet die Sinnhaftigkeit der Registrierungspflicht. „Es ist ein Irrglaube, dass damit die Sicherheit steigt.“Kriminelle könnten einfach auf Netzbetreiber aus dem benachbarten Ausland ausweichen, etwa der Tschechischen Republik oder Slowenien. Zudem gebe es bereits Umgehungsmöglichkeiten wie unter der Hand angebotene „vorregistrierte“ Wertkartenhandys. Es gebe auch Beispiele von Anbietern, die die Nutzung auch ohne Registrierung gestatten würden.
Krammers Unternehmen Ventocom – er ist Miteigentümer – hängt besonders stark vom Prepaid-Geschäft ab, „wir haben dieses Geschäftsmodell aufgebaut“, sagt er. Ein Drittel der 850.000 HoT-Kunden ist nicht registriert.
Beim Mobilfunkanbieter Drei sieht man in der Registrierungspflicht einen „großen Aufwand, dessen Kosten vom Bund nur zum Teil übernommen werden“. Auch seien die Betreiber erst sehr spät informiert worden. A1 ortet einen Trend von Wertkarten- zu Vertragskunden, hat aber selbst noch immer 1,5 Millionen anonyme Wertkartennutzer. Und T-Mobile vermisst eine Verordnung für die mit der Registrierung anfallenden Kosten.
Krammer ortet auch eine Benachteiligung von Handynutzern ohne Internetzugang. Denn zwei der drei Registrierungsmöglichkeiten sind nur online – über Internet oder Smartphone-App – durchführbar. Es sind dies die Identifizierung über ein online erstelltes Bild („Photoident-Verfahren“) samt fotografiertem Ausweisbild oder die Registrierung über ein Bankkonto („Bankident-Verfahren“, derzeit nur für Kunden von Bank Austria und Erste Bank). Weniger internetaffinen Menschen bliebe daher nur die dritte Registrierungsmöglichkeit, die Identifizierung im Geschäft.
Diese sei mit geschätzten 5 bis 10 Euro je Anmeldung relativ kostenintensiv. Das müssen entweder die Kunden zahlen oder es erfolgt als kostenloser Kundenservice – wie im Fall von HoT in der Hofer-Filiale. Krammer schätzt die anfallenden Kosten für die Branche auf rund 10 Mill. Euro plus jährlich bis zu 3 Mill. Euro für neue SIM-Karten. Diese Kosten müssten ebenso übernommen werden wie jene für angefallene Investitionen von einer Mill. Euro. „Andernfalls streben wir eine Verfassungsklage an“, kündigt er an. Ein Sprecher des Ministeriums sagt dazu, man habe „keinen Titel, aus dem heraus die laufenden Kosten übernommen werden“.
Krammer erwartet „ein großes Desaster auf dem Markt“. Denn laut Umfrage sei nur ein Drittel der Bevölkerung über die Registrierungspflicht informiert. Der HoT-Chef zeigt sich alarmiert über eine sehr geringe Kundenreaktion auf Aufforderungen zur Anmeldung. Im Verkehrsministerium beruhigt man. Kunden würden von ihren Betreibern per SMS informiert. Und „bei Bedarf gibt es die Möglichkeit, noch einmal eine Kampagne zu diesem Thema zu machen“.