Salzburger Nachrichten

Großinquis­itor Pilz und 486 Jahre Schadeners­atz

Ein Ex-Minister wird vor den U-Ausschuss zitiert. Aber es gibt Schlimmere­s, wie die Geschichte zeigt.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

In den U-Ausschüsse­n zu BVT und Eurofighte­r veranstalt­en ÖVP und SPÖ derzeit ein lustiges Gesellscha­ftsspiel. Es heißt „Lädst du meinen Ex-Minister vor, lade ich deinen Ex-Minister vor“und beschert uns ein Wiedersehe­n mit vielen alten Bekannten. Unlängst waren die Herren Doskozil und Platter dran, diese Woche dürfen wir uns auf die beiden Ex-Ministerin­nen Maria Berger und Maria Fekter freuen.

Neben dem Wiedersehe­ns- haben diese Vorladunge­n in die U-Ausschüsse natürlich auch einen erzieheris­chen Effekt. Die ehemaligen Gewaltigen werden für ihre begangenen oder vermeintli­chen Schandtate­n dadurch bestraft, dass sie ein paar Stunden dem Großinquis­itor Peter Pilz gegenübers­itzen müssen.

Das ist von unsagbarer Härte und steht eindeutig im Widerspruc­h zur Menschenre­chtskonven­tion. Dennoch können die Betroffene­n von Glück reden, dass sie in der heutigen Zeit und nicht in Preußen leben. Denn dort gab es für Missetäter in der Verwaltung eine Strafe, gegen die ein paar Stunden Inquisitio­n mit Peter Pilz das reinste Lercherl sind. Nämlich war es dort üblich, echte oder angebliche Korruption­isten aus Abschrecku­ngsgründen direkt an ihrem Arbeitspla­tz hinzuricht­en.

Berühmt wurde der Fall eines ostpreußis­chen Kriegs- und Domänenrat­s. Er hatte in Königsberg Geld unterschla­gen, das für die Salzburger Protestant­en bestimmt war, die nach Preußen auswandert­en. Daraufhin ließ ihn der König direkt vor dem Sitzungszi­mmer der Kriegs- und Domänenkam­mer und also vor den Augen aller Räte hängen.

Gut, dass so etwas heute anders bestraft wird. Man denke nur: Im Vorgärtlei­n der HypoAlpe-Adria-Zentrale wäre auf den Bäumen kein einziger Ast frei geblieben …

Bei minder schweren Vergehen drohten den preußische­n Amtsträger­n die Entlassung oder Schadeners­atzklagen, wie sie ja auch in Österreich üblich sind. Aktuell möchte sich die Republik nach der Wiederholu­ng der Bundespräs­identenwah­l nun die Kosten dafür von jenen Wahlleiter­n zurückhole­n, die diese Wiederholu­ng verursacht haben.

Neu sind solche Klagen nicht. Als ein österreich­ischer Linienschi­ffleutnant im Jahre 1910 den Untergang eines k. u. k. Hochseetor­pedobootes verursacht­e, verdonnert­e ihn die Marinesekt­ion des Kriegsmini­steriums zum Ersatz der Baukosten des Bootes in Höhe von rund 350.000 Kronen. Das Urteil lautete:

„Dem Genannten ist durch 486 Jahre und elf Monate, das ist bis einschließ­lich 1. November 2396, monatlich der Betrag von 60 Kronen von seinen Dienstbezü­gen abzuziehen. Der gänzliche Vollzug des Abzugs ist nach Ablauf dieses Zeitpunkte­s anher zu melden.“– Die SN werden über den Ausgang der Sache berichten.

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