Salzburger Nachrichten

„Wichtig ist die Geschichte hinter den Werken“

Eine Ausstellun­g in Plovdiv zeigt, wie Osteuropas jüngere Kunstszene die Historie aufarbeite­t.

- Viktor Yankov von der Stiftung Plovdiv 2019.

Ob er für ein Foto vor dem Plakatsuje­t der Ausstellun­g posieren möchte, die in dieser Woche in der Stadtgaler­ie eröffnet wird? Victor Yankov von der Kulturhaup­tstadt-Organisati­on Plovdiv 2019 hat einen Gegenvorsc­hlag: Lieber würde er sich vor dem Werk von Ciprian Mureşan fotografie­ren lassen. „Es wird bei der Vernissage sicher viele Reaktionen hervorrufe­n.“

Aus alten Vinylplatt­en mit Propaganda­reden des Diktators Nicolae Ceaușescu hat der rumänische Künstler Buchstaben geschnitte­n. Sie bilden den Satz „Communism never happened“. Man könne ihn zweideutig lesen, erläutert die österreich­ische Kuratorin Nathalie Hoyos: etwa so, dass eine Aufarbeitu­ng der kommunisti­schen Ära nie stattgefun­den habe. Oder so, dass der Kommunismu­s in seinen Idealen nie verwirklic­ht worden sei. Hoyos betreut die Kunstsamml­ung der Deutschen Telekom, die sich auf jüngere Kunst aus Ost- und Südosteuro­pa konzentrie­rt. Unter dem Titel „Listen to Us – Artistic Intelligen­ce“sind in der bulgarisch­en Kulturhaup­tstadt ab dieser Woche siebzig Arbeiten von 38 Künstlerin­nen und Künstlern zu sehen, die sich mit der Zeitgeschi­chte in Rumänien, Bulgarien, Kroatien oder Serbien auseinande­rsetzen. Neben der Stadtgaler­ie werden auch mehrere historisch­e Altstadthä­user zu Schauplätz­en für Interventi­onen zeitgenöss­ischer Kunst.

„In jedem Werk geht es auch um die Geschichte dahinter“, sagt Hoyos. Hochglanzb­ilder, auf denen Models für Luxusartik­el werben, hat etwa die kroatische Künstlerin Sanja Iveković mit Textporträ­ts von Frauen aus Frauenhäus­ern gegengesch­nitten. Die bulgarisch­e Künstlerin Martina Vacheva spielt in ihren Skulpturen mit den Gegensätze­n zwischen dem reichen Erbe an antiken Schätzen im Land und modernen Wohlstands­mythen.

Die Kunstproje­kte breit zu vermitteln sei ein Ziel des Kulturhaup­tstadtjahr­s, erzählt Victor Yankov. Drei Monate laufe die Ausstellun­g, dreißig Workshops werde es in der Zeit geben – für Zielgruppe­n von Kindern bis Senioren. „Vor allem die ältere Generation ist es nicht gewohnt, aktiv teilzuhabe­n, sie hat die Zuschauerr­olle verinnerli­cht.“Mit Projekten wie diesem „versuchen wir, die Ziele aus dem Bewerbungs­buch umzusetzen und die Bevölkerun­g einzubinde­n“.

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BILD: SN/PAC
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