Das Morden muss ein Ende haben
Erfolg für neues Musiktheater: „Orest“von Manfred Trojahn begeistert das Wiener Staatsopernpublikum.
WIEN. Bei Fernsehserien nennt man den Moment „Cliffhanger“. Gerade wenn es spannend ist, ist es aus. Nun weiß man nicht, ob der Komponist Manfred Trojahn an eine „zweite Staffel“gedacht hat, aber er ließ bei seiner 75-Minuten-Oper „Orest“das Ende offen, als ob er noch einen zweiten Teil in der Schublade hätte.
„Orest“ist ohnehin die Fortschreibung eines Dramas, denn Manfred Trojahn beginnt dort, wo Richard Strauss „Elektra“hat enden lassen. Orest hat den Mord an seinem Vater Agamemnon gerächt, indem er seine Mutter Klytämnestra samt ihrem Liebhaber Ägisth tötete. Trojahn hat bei Euripides nachgeschlagen und wollte wissen, was nach dieser blutigen Rache passierte. Und wie die alten Griechen so waren: Der Blutkreislauf geht weiter, was das Premierenpublikum am Sonntag in der Wiener Staatsoper dazu brachte, einen lebenden Komponisten zu feiern. Denn Trojahn versteht das Handwerk, der Komponist hat eine Theaterpranke und rührt die Farbpalette in seiner Partitur kräftig an. Dass mit Michael Boder ein versierter Experte das hervorragende Staatsopernorchester dirigierte, trug zur Spannung bei.
Trojahn knüpft unverkrampft bei Ahnherren wie Strauss oder Alban Berg an und unterstreicht die dramatische Geschichte auf der Bühne mit expressiven Ballungen, aber auch Zurückhaltung. Wenn Orest brutal das Leben der aus Troja zurückgekehrten „schönen“Helena mit dem Beil beendet, reicht ein lang anhaltender Kontrabasston, und man sitzt gebannt da. Für ein Zwischenspiel, das mit einem Kampfspektakel athletischer Krieger bebildert wird, fährt er alle orchestrale Krallen aus.
Dieser „Orest“ist Einspringer im Staatsopernprogramm, da Altmeister Krzysztof Penderecki sein Auftragswerk „Phaedra“nicht pünktlich hat vollenden können. Die Ersatzwahl ist glücklich, den ungewöhnlich langen Beifall verdiente das gesamte Team.
Marco Arturo Marelli hat anschaulich inszeniert und ausgestattet, seine Bühne ist eine düstergraue Tunnelkurve mit Seitentüren, durch die nicht nur das Licht fällt, sondern durch die auch Töne dringen wie der Todesschrei der Klytämnestra, mit welchem die Oper schockartig beginnt.
Lauter traumatisierte Figuren sind da aufgeboten, voran der Muttermörder Orest, der einen Ausweg aus der Racheserie finden will, wäre da nicht die besessene Schwester Elektra, die alle aus dem Weg räumen will. Das wären Helena und ihr Gemahl Menelaos und sogar deren unschuldige Tochter Hermione. Auch Gott Apoll mischt mit.
Die Besetzung ist fabelhaft. Thomas Johannes Mayer als Orest mit Wagnerbariton, Thomas Ebenstein als schmieriger Menelaos, Daniel Johansson als Apoll stehen starken Frauenrollen gegenüber. Evelyn Herlitzius fasziniert als fanatische Elektra, auch Laura Aikin als mondäne Helena und Audrey Luna als bezaubernde Hermione sind glänzende Sängerinnen.
Lauter traumatisierte Figuren sind aufgeboten.
Oper: „Orest“von Manfred Trojahn, Wiener Staatsoper. Bis 13. 4.