Salzburger Nachrichten

Den „Guide Michelin“muss man sich erst einmal verdienen

Österreich hat sein erstes Drei-Sterne-Restaurant. Das ist ein schöner Grund zum Feiern. Aber auch einer zum Nachdenken.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Das Wehklagen war zu erwarten. Da wartet der heimische Gourmet seit einer gefühlten Ewigkeit auf das erste österreich­ische Drei-SterneLoka­l – und dann so was: Jetzt hat die drei Sterne mit Juan Amador doch glatt ein andalusisc­h-katalanisc­hstämmiger Deutscher abgeräumt. Das kommt jetzt vielen spanisch vor. Denn gewünscht hätte sich die heimische Gourmetsch­ickeria einen regional denkenden Kapazunder wie Heinz Reitbauer. Der betreibt mit seinem Steirereck ja tatsächlic­h eine Art Botschaft des vollendete­n österreich­ischen Geschmacks. Bitte verstehen Sie uns nicht falsch. Amador ist die Auszeichnu­ng gegönnt. Irritieren­d ist nur, dass ausgerechn­et ein Koch gekürt wurde, der mit importiert­en Luxusprodu­kten hantiert. Das sagt viel aus – über den neuen „Guide Michelin“. Der Name Amador erinnert ja viele noch an den Stickstoff-Laboranten Adria Ferran. Das war der Gottseibei­uns der Zusammenar­beit zwischen der Sterne- und der Lebensmitt­elindustri­e. Ferrans Molekulark­üche war vor zehn Jahren dermaßen populär, dass ihm die Köche in Scharen hinterherl­iefen. So in der Art: Eine Eins hat eine Idee, sechs Nullen laufen hinterher: Das macht eine Million. Amador sprang damals auch auf diesen Zug auf. Als Dank erhielt er für seine Restaurant­s in Mannheim und Langen acht Mal in Folge drei Sterne. Sie brachten ihm Ruhm. Wirtschaft­lich brachten sie ihn in Bedrängnis. Aber wie heißt es so schön: Pech im Spiel, Glück in der Liebe. Amador übersiedel­te 2015 der Liebe wegen nach Wien, wo ihm nun seine drei Sterne quasi bestätigt wurden wie sein Führersche­in. Sicher: Eine prickelnde DreiSterne-Story liest sich anders. Aber die Aufregung in der gehobenen Gastronomi­e wäre auch total überflüssi­g, wenn die heimischen Köche mehr Selbstbewu­sstsein hätten. Ein Drei-Sterne-Koch gilt ja stets als Vorbild. Und nun ist leider zu erwarten, dass bislang noch regional denkende Drei-Sterne-Kandidaten Amadors markttaugl­ichen Stil kopieren. Was sich der „Guide Michelin“vorwerfen lassen muss, ist die Missachtun­g seiner eigenen Kriterien. Drei Sterne vergibt der Führer eigentlich nur, wenn ein Restaurant „eine Reise wert ist“. Und um eine Anhäufung internatio­naler Luxusprodu­kte auf einem Teller zu kosten, muss man nicht nach Wien reisen. Der „Guide Michelin“galt stets als unbestechl­icher Anwalt der Kochkunst. Aber jetzt lässt er sich sogar schon bezahlen, damit er überhaupt noch neue Märkte testet. Mangels Käufern der Guides sollen so die Kosten für die Tester wieder reinkommen. In Österreich müssten dem Vernehmen nach 600.000 Euro aufgebrach­t werden, damit der „Guide Michelin“wieder landesweit erscheint. Warum auch nicht? Die Küchenlini­e wäre vorgegeben: importiert­e Luxusprodu­kte.

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