Den „Guide Michelin“muss man sich erst einmal verdienen
Österreich hat sein erstes Drei-Sterne-Restaurant. Das ist ein schöner Grund zum Feiern. Aber auch einer zum Nachdenken.
Das Wehklagen war zu erwarten. Da wartet der heimische Gourmet seit einer gefühlten Ewigkeit auf das erste österreichische Drei-SterneLokal – und dann so was: Jetzt hat die drei Sterne mit Juan Amador doch glatt ein andalusisch-katalanischstämmiger Deutscher abgeräumt. Das kommt jetzt vielen spanisch vor. Denn gewünscht hätte sich die heimische Gourmetschickeria einen regional denkenden Kapazunder wie Heinz Reitbauer. Der betreibt mit seinem Steirereck ja tatsächlich eine Art Botschaft des vollendeten österreichischen Geschmacks. Bitte verstehen Sie uns nicht falsch. Amador ist die Auszeichnung gegönnt. Irritierend ist nur, dass ausgerechnet ein Koch gekürt wurde, der mit importierten Luxusprodukten hantiert. Das sagt viel aus – über den neuen „Guide Michelin“. Der Name Amador erinnert ja viele noch an den Stickstoff-Laboranten Adria Ferran. Das war der Gottseibeiuns der Zusammenarbeit zwischen der Sterne- und der Lebensmittelindustrie. Ferrans Molekularküche war vor zehn Jahren dermaßen populär, dass ihm die Köche in Scharen hinterherliefen. So in der Art: Eine Eins hat eine Idee, sechs Nullen laufen hinterher: Das macht eine Million. Amador sprang damals auch auf diesen Zug auf. Als Dank erhielt er für seine Restaurants in Mannheim und Langen acht Mal in Folge drei Sterne. Sie brachten ihm Ruhm. Wirtschaftlich brachten sie ihn in Bedrängnis. Aber wie heißt es so schön: Pech im Spiel, Glück in der Liebe. Amador übersiedelte 2015 der Liebe wegen nach Wien, wo ihm nun seine drei Sterne quasi bestätigt wurden wie sein Führerschein. Sicher: Eine prickelnde DreiSterne-Story liest sich anders. Aber die Aufregung in der gehobenen Gastronomie wäre auch total überflüssig, wenn die heimischen Köche mehr Selbstbewusstsein hätten. Ein Drei-Sterne-Koch gilt ja stets als Vorbild. Und nun ist leider zu erwarten, dass bislang noch regional denkende Drei-Sterne-Kandidaten Amadors markttauglichen Stil kopieren. Was sich der „Guide Michelin“vorwerfen lassen muss, ist die Missachtung seiner eigenen Kriterien. Drei Sterne vergibt der Führer eigentlich nur, wenn ein Restaurant „eine Reise wert ist“. Und um eine Anhäufung internationaler Luxusprodukte auf einem Teller zu kosten, muss man nicht nach Wien reisen. Der „Guide Michelin“galt stets als unbestechlicher Anwalt der Kochkunst. Aber jetzt lässt er sich sogar schon bezahlen, damit er überhaupt noch neue Märkte testet. Mangels Käufern der Guides sollen so die Kosten für die Tester wieder reinkommen. In Österreich müssten dem Vernehmen nach 600.000 Euro aufgebracht werden, damit der „Guide Michelin“wieder landesweit erscheint. Warum auch nicht? Die Küchenlinie wäre vorgegeben: importierte Luxusprodukte.