Käse, Kälber und Tiertransporte
Salzburgs Bauern sollen in Zukunft noch mehr Milch für Käse produzieren. Dabei wachsen uns die Probleme des Systems längst über den Kopf.
Am Samstag war in den „Salzburger Nachrichten“zu lesen: Die SalzburgMilch hat um eine Aufstockung der Milchmengen für die Käserei Lamprechtshausen angesucht – von 120 auf 300 Millionen Kilogramm pro Jahr. Das Geschäft laufe gut, man wolle in Zukunft beim Käse weiter wachsen, erklärte Geschäftsführer Christian Leeb. Lamprechtshausen sei eine „Milchgunstlage“und wenn der Preis attraktiv sei, steige die Anlieferung aus der Region automatisch spürbar an.
Grundsätzlich alles gute Nachrichten. Aber das Thema hat eine Schattenseite, die derzeit immer mehr in die Kritik gerät. Wer mehr Käse will, braucht mehr Milch. Nun geben Kühe aber nicht einfach so Milch. Sie müssen dazu ein Kalb auf die Welt bringen. Erst mit der Geburt startet die Milchproduktion im Euter. Doch viel zu viele Kälber sind schon jetzt ungewünschte, aber unvermeidbare Nebenprodukte der Milchwirtschaft. Vor allem männliche Tiere, die nicht als Nachzucht neuer Milchkühe dienen, sind überflüssig, denn zum Mästen eignen sich andere Rassen besser. Erzeuger sprechen längst von einem Kälberabsatzproblem. Willkommene Abnehmer gibt es im Ausland.
In Bergheim gibt es eine Sammelstelle für Kälber. Hier kommen „überschüssige“Tiere aus Salzburg, Vorarlberg und Tirol zusammen. 30.000 Kälber, so war vergangene Woche ebenfalls in den SN zu lesen, gehen derzeit pro Jahr von Bergheim aus ins Ausland. In Worten: dreißigtausend!
Gehen wir von durchschnittlich 150 Tieren pro Lkw aus, sind das 200 Lastwagen. Italien und Polen zählen zu den Hauptabnehmern. Aber die meisten Kälber – 15.000 an der Zahl – fahren bis nach Spanien und „dürfen“auf diesem Weg legal 2 x 9 Stunden mit einer Stunde Pause, also insgesamt unglaubliche 19 Stunden unterwegs sein. Der Verein gegen Tierfabriken erstattete Anzeige gegen einen Salzburger Amtstierarzt, weil in den Papieren die angegebenen Transportzeiten rein rechnerisch nicht einzuhalten seien und der Lkw nach Ansicht der Tierschützer gar nicht hätte losfahren dürfen.
Doch die Frage, die sich dringender denn je stellt, ist längst nicht die, ob nun 19 Stunden Fahrt mit Pause juristisch einwandfrei und 21 Stunden illegal sind. Abseits der Rechtslage geht es um die ethische Grundsatzfrage dahinter: Wollen wir tatsächlich, dass unsere (Saug-)Kälber aus Salzburg in Massen nach Spanien gekarrt werden? Wie soll man verstehen, dass es in Bergheim einen großen Schlachthof gibt, wo im Jahr zwar 80.000 Rinder geschlachtet werden, die 30.000 Kälber aus der benachbarten Sammelstelle aber auf große Reise gehen müssen?
Mit dem Hintergrundwissen der Kälbertransporte erscheint die Idee, noch mehr Käse in Lamprechtshausen erzeugen zu wollen, in einem anderen Licht.
Denn die Formel heißt: Mehr Käse = mehr Milch = noch mehr Kälber. Und wir wissen jetzt schon nicht, wohin mit ihnen.
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