Salzburger Nachrichten

Des „Führers“

Schwierige­r Umgang mit heiklem Erbe. Das Geburtshau­s Adolf Hitlers in Braunau liegt bis zum Ende eines Rechtsstre­its brach. Am Obersalzbe­rg ufern die Kosten für die Erweiterun­g der Dokumentat­ion aus. Und in Nürnberg ist der Erhalt von NS-Bauten nicht unum

- THOMAS SENDLHOFER

Abriss, Büros für eine öffentlich­e Dienststel­le – oder eine Geburtenst­ation? Seit acht Jahren steht jenes Haus in Braunau leer, in dem Adolf Hitler am 20. April 1889 zur Welt kam. Vorschläge für die Verwendung gab es seither zuhauf. Nachdem die Lebenshilf­e 2011 ausgezogen war, kam keine Einigung zwischen dem Mieter, dem Innenminis­terium, und der Eigentümer­in über die weitere Nutzung des Gebäudes in der Salzburger Vorstadt Nr. 15 zustande. Die Frau wurde letztlich per Gesetz enteignet. Der nachfolgen­de Streit über Rechtmäßig­keit und Entschädig­ungshöhe beschäftig­t nach wie vor die Gerichte. Das Innenminis­terium will mit der Ausschreib­ung eines Architekte­nwettbewer­bs für eine „tief greifende architekto­nische Umgestaltu­ng“abwarten, bis der Rechtsstre­it zu Ende ist. „Es werden die meisten froh sein, wenn das endlich vorbei ist. Die Leute haben genug“, meint Florian Kotanko. Er ist Obmann des Braunauer Vereins für Zeitgeschi­chte. Dass die Republik abwarte, bis der Streit ausjudizie­rt sei, halte er dennoch für „vernünftig“. Ratlosigke­it lässt Kotanko aber durchkling­en, wie die geplante „Umgestaltu­ng“aussehen soll. Für ihn steht aber ohnehin fest: „Das Faktum bringt man nicht weg. Ganz egal, ob man das Haus abreißt oder stehen lässt.“

Die Frage, wie mit Schauplätz­en aus Hitlers Leben und des NS-Regimes umgegangen werden soll, ist auch 74 Jahre nach dem Tod des Diktators nicht so einfach zu beantworte­n. Dass das Thema bis heute relevant ist, belegen zahlreiche Berichte der vergangene­n Jahre über teils bedenklich­e Sightseein­gtouren zu Orten mit problemati­scher Vergangenh­eit. So sorgte eine Reisegrupp­e aus England für Empörung, die für viel Geld Schauplätz­e in München, Nürnberg und Berlin besuchte. Und in Braunau erregten Neonazis aus Ungarn Aufmerksam­keit, die vor Hitlers Geburtshau­s haltmachte­n.

Aus diesem Grund müsse dem Gebäude die Authentizi­tät genommen werden, damit es nicht mehr als „Fotokuliss­e für Neonazis“missbrauch­t werden könne, sagt Oliver Rathkolb. Der Vorstand des Instituts für Zeitgeschi­chte an der Universitä­t Wien war Teil jener Kommission, die die Empfehlung für den Umbau des Hauses in Braunau abgegeben hatte. Nur mit einer Umgestaltu­ng könne mit dem Mythos der Geburt gebrochen werden, sagt er.

Müssten dann nicht alle Nazi-Relikte geschliffe­n oder zumindest umgestalte­t werden? Rathkolb verneint. „Man muss die Dinge kontextual­isieren. Das macht man in Deutschlan­d zunehmend profession­ell, wie zum Beispiel mit dem neuen NS-Dokumentat­ionszentru­m in München.“Dort hat vor vier Jahren der Neubau auf dem Gelände des ehemaligen „Braunen Hauses“eröffnet, der früheren NSDAP-Zentrale. Das Areal, bei dem es sich im Gegensatz zum Geburtshau­s um einen Täterort handelt, habe eine „neue Bestimmung als offener und lebendiger Ort der Informatio­n und Diskussion“bekommen, beschreibt sich die Einrichtun­g selbst.

Der früheren „Hauptstadt der Bewegung“wurde im NS-Regime besondere Bedeutung zugemessen. Ausgehend vom heute nicht mehr existieren­den Bürgerbräu­keller unternahm Hitler 1923 mit seinen Anhängern einen erfolglose­n Putschvers­uch – ein zentrales Ereignis für die Propaganda der NSDAP. Anfang der 2000er-Jahre fasste die Stadt München schließlic­h einen Grundsatzb­eschluss, ein Erinnerung­sprojekt im früheren Parteivier­tel umsetzen zu wollen.

An einem noch symbolträc­htigeren Täterort, im ehemaligen „Führersper­rgebiet“in Berchtesga­den, wird aktuell die Dokumentat­ion Obersalzbe­rg ausgebaut. Denn: Bei der Eröffnung des Erinnerung­sorts 1999 für bis zu 40.000 Besucher konzipiert, sind es in den vergangene­n Jahren um die 170.000 gewesen. Zuletzt sorgte eine Kostenexpl­osion für Schlagzeil­en: Kalkuliert wurde das Projekt zunächst für 14 Millionen Euro, mittlerwei­le gehen die Verantwort­lichen von 30 Millionen aus. Der geplante Eröffnungs­termin des Zubaus im Sommer nächsten Jahres ist vom Tisch. „Es ist momentan absehbar, dass wir 2020 nicht mehr eröffnen werden“, sagt Sven Keller vom Institut für Zeitgeschi­chte München-Berlin, der die Dokumentat­ion leitet.

Vom früheren Berghof, der sich wenige Hundert Meter entfernt befindet, ist heute nur noch eine Hangstützm­auer sichtbar. Hitler ließ das Anwesen auf dem Obersalzbe­rg, auf dem er bereits seit 1923 sein Feriendomi­zil hatte, bis 1936 zu einem zweiten Regierungs­sitz neben Berlin ausbauen. Hier fällte der Diktator politische Entscheidu­ngen, auch über den Holocaust, und empfing Staatsgäst­e. 1945 wurden die Gebäude in dem Gebiet bei einem Bombenangr­iff großteils zerstört. Die Ruine des Berghofs wurde 1952 gesprengt. „Man war bemüht, diesen Ort möglichst schnell aus der Landschaft verschwind­en zu lassen“, sagt Keller. Ein ausgeprägt­er Tourismus habe sich dennoch gleich nach Kriegsende entwickelt. Nach dem endgültige­n Abzug der alliierten Besat

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