Muss ein Zivildiener in den Krieg ziehen können?
Für einen Kindergärtner sollten andere Tauglichkeitskriterien gelten als für einen Panzergrenadier.
Die Tauglichkeitskriterien beim Bundesheer sind ins Gerede gekommen. Fast 25 Prozent Untaugliche, das ist – noch dazu jetzt bei den geburtenschwachen Jahrgängen – ein arger Aderlass an Wehr- und Zivildienern.
Vor allem die Rettungsorganisationen stöhnen unter dem Mangel an billigen Arbeitskräften, während für das Bundesheer das Ausbleiben von Grundwehrdienern auch positive Effekte hat. Denn jeder Rekrut kostet in der Ausbildung Geld, das aus Sicht des Heers schlecht angelegt ist, da es den Ausgebildeten danach ja nie wieder einberufen kann.
Manche Beobachter argwöhnen daher, dass die jungen Burschen in Österreich gar nicht so krank, dickleibig und psychisch labil sind, wie eine Untauglichkeitsrate von 25 Prozent suggeriert. Sondern dass das Bundesheer in Zeiten von Budgetknappheit die Zahl der Tauglichen absichtlich niedrig hielt oder hält, um nicht allzu viele Rekruten ausbilden zu müssen.
Ob diese Vermutung stimmt? Wenn ja, ginge die Taktik des Bundesheers klar zulasten von Organisationen wie dem Roten Kreuz. Denn je kleiner das Reservoir an Tauglichen, desto kleiner ist logischerweise auch die Zahl jener, die sich zum Zivildienst melden.
Wobei in der Abfolge das Problem liegt: Zunächst einmal wird die Tauglichkeit zum Wehrdienst festgestellt, erst danach kann sich der junge Mann vom Wehrdienst abmelden und zum Zivildienst gehen. Das ist absurd. Warum muss ein Zivildiener, der Rollstühle schiebt oder als Kindergärtner arbeitet, die Tauglichkeitskriterien einer Armee erfüllen?
Viel vernünftiger wäre es, die Abfolge umzukehren: Zunächst soll sich der junge Mann entscheiden, ob er Wehr- oder Zivildienst leisten möchte, erst danach wird medizinisch festgestellt, ob er für den gewählten Dienst tauglich ist oder nicht. Wobei für den Zivildienst logischerweise niedrigere Kriterien gelten würden als für den Wehrdienst, wodurch es wieder mehr Zivildiener gäbe. Und mehr Gerechtigkeit. Denn das drei Viertel dienen müssen und ein Viertel nicht, ist ungerecht.
Dieser vernünftigen Lösung steht jedoch die Verfassung entgegen. Sie normiert, dass der Zivildienst sich vom Wehrdienst ableitet, dass er also ein Wehrersatzdienst ist, der nur jenen offen steht, die aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe ablehnen. Der Grund für diese Regelung liegt in der Menschenrechtskonvention, die nur den Wehrdienst (und den Ersatz dafür) als Zwangsdienst erlaubt, nicht aber einen genuinen Sozialdienst.
Daher wird die Fiktion vom Zivildienst als Wehrersatzdienst aufrechterhalten, obwohl längst völlige Wahlfreiheit zwischen den beiden Dienstarten herrscht. Denn Gewissensprüfung gibt es ja keine mehr.