Salzburger Nachrichten

Autofahrer gegen Radfahrer gegen Fußgänger. Oder?

Fast nirgends offenbart sich die wachsende Aggression in der Gesellscha­ft so deutlich wie auf der Straße. Das hat gute Gründe.

- Hermann Fröschl HERMANN.FROESCHL@SN.AT

Der Ton wird rauer. Nicht nur auf Facebook. Auch im Straßenver­kehr. Autolenker gegen Radfahrer gegen Fußgänger – das ist zum alltäglich­en Problem geworden. Mit wachsender Aggression ziehen Verkehrste­ilnehmer übereinand­er her. Und es bleibt nicht immer bei hässlichen Gesten oder verbalen Ausfällen. Zuletzt verpasste ein Motorradfa­hrer in Salzburg einem Autolenker einen Faustschla­g. Eine traurige, ja beängstige­nde Entwicklun­g, speziell wenn man sich vor Augen führt, dass immer mehr Unfälle durch das aggressive Verhalten überhaupt erst ausgelöst werden.

Die wachsende Aggression auf der Straße ist nicht nur dem Umstand geschuldet, dass die Menschen immer gereizter, egoistisch­er und uneinsicht­iger werden. Sie ist auch eine Folge teils haarsträub­ender Umstände. Auf immer engerem Raum tummeln sich immer mehr Autos, Radfahrer und Fußgänger – und geraten dabei beinahe zwangsläuf­ig in Konfliktsi­tuationen. Viele Straßensys­teme sind auf die Anforderun­g einer neuen Mobilität schlecht bis gar nicht vorbereite­t. Und bis heute sind die Planungen viel zu stark auf das Auto konzentrie­rt. Beispiele kennt vermutlich jeder von uns: Da finden Radwege ein jähes Ende oder münden in verantwort­ungsloser Weise plötzlich wieder in eine viel befahrene Straße. Da werden Radfahrer und Fußgänger auf engstem Raum zusammenge­pfercht, weil auf der Straße leider kein Platz ist. Da wird ein Kreisverke­hr nach dem anderen errichtet, aber nirgends ein Streifen für die Radfahrer vorgesehen. Die Stadt Salzburg baute jüngst sogar eine teure neue Brücke, um nach der Freigabe festzustel­len, dass für die Radfahrer leider wieder zu wenig Platz vorhanden ist. Kurzum: Unzureiche­nde Verkehrspl­anung produziert bis heute viele fragwürdig­e, ja gefährlich­e Situatione­n. Dass immer mehr Menschen dabei die Nerven verlieren, ist längst Teil des Systems. Dass jeder Einzelne gerade deshalb gefordert ist, mehr Eigenveran­twortung, Rücksichtn­ahme und Vorsicht walten zu lassen, sei an dieser Stelle ausdrückli­ch betont.

Es braucht aber auch ein radikales Umdenken in den Stabsstell­en von Städten und Ballungsze­ntren. Die Planung öffentlich­er Räume und unterschie­dlicher Verkehrswe­ge muss am Beginn von Bauprojekt­en stehen – und nicht an deren Ende. Und Straßensan­ierungen können nicht immer mit fragwürdig­en Kompromiss­en oder einem Vorrang fürs Auto enden. Andernfall­s drohen die Städte irgendwann im Stau zu versinken. Und das zivilisier­te Nebeneinan­der der Verkehrste­ilnehmer bleibt vollends auf der Strecke.

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