Wo Wohnen kaum noch bezahlbar ist
In Innsbruck dreht die Stadtregierung an mehreren Schrauben, um Wohnen wieder bezahlbar zu machen. In Graz geht die FPÖ bei städtischen Wohnungen einen ganz anderen Weg als die KPÖ.
In Innsbruck dreht die Stadtregierung an mehreren Schrauben, um Wohnen wieder erschwinglich zu machen.
Neben Salzburg zählt Tirol zum Bundesland mit den höchsten Mietpreisen in Österreich. Während in Tirol ein durchschnittlicher Mietpreis am freien Markt von 13,82 Euro pro Quadratmeter erreicht wird, liegt er in Salzburg bei 15,95 Euro pro m2. In Tirol wiederum ist die Landeshauptstadt Innsbruck das teuerste Pflaster, gefolgt vom Bezirk Kitzbühel. Am Privatmarkt wird zum Teil deutlich über 20 Euro für den Quadratmeter bezahlt. Mit anderen Worten: Eine 70-m2-Wohnung im noblen Stadtteil Hungerburg kostet gut und gern 1500 Euro Miete im Monat.
„Leistbares Wohnen ist die größte Herausforderung für Ballungsräume in den kommenden Jahren: Durchschnittsmieten am privaten Markt von inzwischen über 17 Euro führen dazu, dass teilweise schon zwei Drittel des Einkommens fürs Wohnen ausgegeben werden müssen. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, braucht es alle Ebenen der Politik – von der Bundesregierung bis zu den Gemeinden“, betont Georg Willi, grüner Bürgermeister von Innsbruck. Ein Ausweichen in Umlandgemeinden bringt nicht viel, auch dort sind die Wohnungspreise kaum bezahlbar.
Auf Willis Agenda steht Wohnen ganz oben. „Es ist auch das Thema, das die Menschen am meisten betrifft“, sagt Michael Bauer, Sprecher des Bürgermeisters. Die Stadtregierung hat sich als Minimalziel gesetzt, dass gemeinsam mit den Wohnbauträgern in der Legislaturperiode bis 2024 zumindest 3000 geförderte Wohnungen errichtet werden. Die Innsbrucker Stadtregierung hat derzeit für 16.500 Wohnungen das Vergaberecht. Bürger, die eine Gemeindewohnung erhalten, können sich glücklich schätzen: Sie bezahlen zwischen acht und neun Euro Mietzins (Betriebskosten inklusive). Der Bürgermeister will gemeinsam mit „Für Innsbruck“, ÖVP und SPÖ neue Vergaberichtlinien erstellen. Denn es kommt immer wieder vor, dass Menschen in Sozialwohnungen leben, die sie gar nicht mehr brauchen. Angedacht sind Befristungen bei der Sozialwohnungsvergabe und Mietverträgen. Bisher waren die Verträge unbefristet.
Innsbruck und das Land Tirol drehen an mehreren Schrauben, um das Wohnungsproblem zu lindern. In der Stadt entstehen neue Plätze für Studenten, das Land hat für eine „Studierendenwohnheimoffensive“50 Mill. Euro zur Verfügung gestellt. Zudem soll eine Wohnservicestelle eingerichtet werden: Dort werden Mieter über ihre Rechte aufgeklärt, weil sie oft viel zu hohe Mieten bezahlen. Beispielsweise dürften für Altbauwohnungen, die vor 1945 gebaut wurden, maximal 12 Euro Mietzins pro Quadratmeter verlangt werden. Tatsächlich kassieren Vermieter oftmals über 20 Euro. „Bei besserer Aufklärung im Vorfeld wird es für Vermieter schwieriger, überhöhte Mieten zu verlangen“, erklärt Bauer. Zudem wird in Innsbruck der Wohnungsleerstand gerade rechtlich fundiert erhoben. Schätzungen gehen von bis zu 2000 unbewohnten Wohnungen aus. Die Überlegungen, wie der Leerstand bekämpft werden kann, gehen von Ermutigung bis zu entsprechenden Abgaben. Enteignungen von großen Wohnungsgesellschaften, wie sie in Deutschland diskutiert werden, hält Bürgermeister Willi „für das letzte Mittel, wenn sonst alles ausgeschöpft wurde“.
In Graz und Linz scheint die Welt noch in Ordnung. „Es gibt im Moment einen enormen Bauboom. Mit billigen Wohnungen ist der Markt nicht gesättigt, mit teuren schon“, sagt Gerhard Uhlmann, Geschäftsführer von „Wohnen Graz“. Bei frei finanzierten Mietobjekten ortet er ein Überangebot, mehr als zwölf oder 13 Euro pro Quadratmeter würden in Graz kaum bezahlt. Als Faustregel gilt: „Mehr als ein Drittel des Familieneinkommens soll für eine von der Stadt zugewiesene Wohnung nicht aufgewendet werden“, betont Uhlmann.
Die Stadt hat für rund 11.000 Wohnungen das Einweisungsrecht, jedes Jahr kommen in Graz rund 600 neu gebaute geförderte Mietwohnungen dazu. Mit dem Wechsel des Wohnungsressorts von der KPÖ zur FPÖ im Jahr 2017 erfolgte auch bei der Vergabe ein Paradigmenwechsel: Die Philosophie der KPÖ, die Gemeindewohnungen sollten den Ärmsten der Armen dienen, gilt nicht mehr. „Wir wollen vom negativ besetzten ,Gemeindewohnen‘ zum städtischen Wohnen für die Grazer. Diese Wohnungen sollen nicht nur für Sozialfälle, Mindestpensionisten und Arbeitslose, sondern auch für den Mittelstand zur Verfügung stehen“, betont Uhlmann. Graz sei eine „Studentenhauptstadt“, auch Studierende sollten Zugang zu städtischen Wohnungen haben. Kriterien dafür seien vorgegebene Einkommensgrenzen sowie die letzten fünf Jahre den Hauptwohnsitz in Graz, womit unter anderem die Vergabe an Asylbewerber und Drittstaatsangehörige nicht mehr möglich ist.
Uhlmann beobachtet in Graz derzeit zwei Entwicklungen: Einerseits wechselten immer mehr Bürger von städtischen Wohnungen in den frei finanzierten Bereich. Andererseits gibt es am freien Markt einen Trend zu „Mikrowohnungen“im Ausmaß von 30 bis 35 Quadratmetern. Wenngleich die Zahl der Singlehaushalte in Graz stark steigt, ist Uhlmann skeptisch: „Solche Wohnformen sind nicht nachhaltig, es handelt sich bestenfalls um Übergangswohnungen für Singles und Wohntouristen.“Er rechnet mit einer hohen Fluktuation, was für Investoren den Nachteil mit sich bringe, dass sie häufig Mieterwechsel haben werden.
Bis zu 15 Euro pro Quadratmeter kosten Mietwohnungen in guten Lagen am freien Markt in Linz. Im Schnitt werden zwölf Euro bezahlt. Die stadteigene GWG – Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft der Stadt Linz GmbH besitzt rund 19.000 Wohneinheiten, jährlich werden rund 1000 geförderte Wohnungen gebaut. „Mit der oberösterreichischen Wohnbauförderung gelingt es recht gut, die Wohnungspreise zumindest stabil zu halten“, sagt Markus Hein, FPÖ-Vizebürgermeister in Linz.
Von geplanten Enteignungen, wie in Berlin angedacht, hält Wohnbaureferent Hein nichts. „Es erinnert stark an sozialistische Machtsysteme oder Regime und es wäre ein sehr gefährlicher Weg, wenn dieser in einem demokratischen System eingeschlagen werden sollte“, so Hein.