Sozialhilfe spaltet die Experten
Die Regierung ringt sich zur gesetzlichen Klarstellung durch, dass Spenden von der Hilfsleistung nicht abgezogen werden. Ob es weitere Präzisierungen gibt, ist noch offen.
WIEN. Die SPÖ darf im Konflikt um die Reform der Mindestsicherung einen Erfolg für sich verbuchen: Die Regierungsfraktionen werden per Abänderungsantrag eine ausdrückliche Klarstellung ins neue Sozialhilfe-Grundsatzgesetz einfügen, wonach eventuelle Spenden nicht von der Sozialhilfe abgezogen werden. Aus der Sicht von ÖVP und FPÖ ist diese Präzisierung zwar eine juristisch nicht notwendige Fleißaufgabe. Man habe sich aber dazu entschlossen, um die „Verunsicherung zu beenden“, hieß es am Montag am Rande des Expertenhearings zur künftigen Sozialhilfe.
Bei dem Hearing im Sozialausschuss zeigte sich erwartungsgemäß, wie sehr die Mindestsicherungsreform nicht nur die Politik, sondern auch die Fachleute spaltet. Die von Türkis, Blau und Pink nominierten Experten sahen keine Verfassungs- und EU-Rechts-Widrigkeiten; die von der SPÖ und der Liste Jetzt nominierten Fachleute sehr wohl, allen voran der Salzburger Arbeits- und Sozialrechtler Walter Josef Pfeil. Er gilt als Schöpfer der Mindestsicherung, die nun durch die Rückkehr zur Sozialhilfe abgelöst wird. Genauer: durch ein Bundesgesetz, das die Grundsätze festschreibt. Die Länder müssen die vom Bund aufgestellten Regeln, die ihnen einen gewissen Spielraum speziell bei den Wohnungskosten lassen, umsetzen.
Die Reform stellt einen klaren Paradigmenwechsel dar. Hatte die Mindestsicherung – wie der Name schon sagt – Mindestwerte normiert, die von den Bundesländern nicht unterschritten werden durften, wird die künftige Sozialhilfe Höchstwerte normieren, die von den Ländern nicht überschritten werden dürfen. Mindestsicherungsziele wie die Armutsbekämpfung sucht man im neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz vergeblich, dafür tauchen neue Zielsetzungen auf, insbesondere integrations- und arbeitsmarktpolitische. So werden an Asylberechtigte, die schlecht Deutsch können, nur etwa zwei Drittel der Hilfe ausbezahlt, der Rest wird so lange als Sachleistung Sprachkurs gewährt, bis sie das B1-Niveau erreicht haben. Erst dann haben sie Anspruch auf die volle Sozialhilfe.
Zuletzt wurde bereits eine Milliarde Euro für die Mindestsicherung ausgegeben. Die Flüchtlingskrise 2015 hatte die Ausgaben und den Ausländeranteil stark steigen lassen. Vor diesem Hintergrund konnten sich die Länder in mehr als einjährigen Verhandlungen nicht auf einen neuen 15a-Vertrag zur Mindestsicherung einigen. Er lief aus, in fast allen Ländern traten unterschiedlich strenge Regeln in Kraft. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz will einerseits für eine gewisse Vereinheitlichung sorgen, andererseits Inländer bevorzugen und den Unterschied zwischen Sozialhilfebezug und Erwerbseinkommen vergrößern. Sparen wird die Reform nichts, im Gegenteil rechnet die Regierung mit Mehrkosten.
Der Beschluss im Plenum soll am Donnerstag nach Ostern fallen. Dann sind die Länder mit den Ausführungsgesetzen an der Reihe. Endgültig sollen die neuen Regeln ab 1. Juni 2021 gelten.