Wer ist Jesse Marsch?
Auch der Nachfolger von Marco Rose bei Red Bull Salzburg ist wieder ein Rangnick-Mann. Seine Markenzeichen: Freundliches Auftreten, großer Ehrgeiz und Teamgeist.
SALZBURG. Hätten es nicht schon die Spatzen vom Stadiondach gepfiffen, hätten sie am Sonntag damit begonnen. Denn direkt unterm Dach, auf dem Ausweich-Pressebalkon, kauerte Jesse Marsch. Bekleidet mit einer Trainingsjacke und einer Nike-Haube und ausgerüstet mit einem Laptop, beobachtete er zusammen mit Sportdirektor Christoph Freund den 3:1-Sieg seines künftigen Teams Red Bull Salzburg gegen Sturm Graz.
Am Montagvormittag wurde es offiziell: Der 45-jährige US-Amerikaner, derzeit noch Co-Trainer bei RB Leipzig, folgt im Sommer Marco Rose als Cheftrainer des österreichischen Serienmeisters nach. „Ich freue mich sehr und fühle mich auch geehrt, dass ich als nächster Trainer für diesen tollen Club arbeiten darf“, wurde Marsch in der Aussendung der Bullen zitiert. Christoph Freund zeigte sich von ihm „fachlich und menschlich restlos überzeugt“, er kenne die Red-BullPhilosophie sehr gut. Noch unklar ist, wen Marsch in sein Trainerteam mitnehmen wird.
Ein Amerikaner als wahrscheinlicher erster Champions-LeagueTrainer der Salzburger Bullen: Wie sind Christoph Freund und Co. auf den Mann aus den USA gekommen, der in Princeton studiert hat? In Europa ist Marsch noch ein unbeschriebenes Blatt. Auch als aktiver Spieler war der Mittelfeldmann nur in seiner Heimat bei D. C. United, Chicago Fire und CD Chivas aktiv. Dazu stehen zwei Kurzeinsätze im US-Nationalteam zu Buche. Für die Trainerkarriere nahm sich Marsch mehr vor: „Es war immer mein Jugendtraum, die Champions League am Abend zu sehen und nicht wie in den Staaten tagsüber.“
Als Cheftrainer bei den New York Red Bulls knüpfte er engen Kontakt zu Oliver Mintzlaff, damals „Head of Global Soccer“und heute Vorstandsvorsitzender von RB Leipzig. Seit damals kursiert der Name Jesse Marsch immer wieder im Zusammenhang mit Salzburg und Leipzig. Kenner beschreiben ihn als eine Art Marco Rose mit US-Pass: „Marsch ist ein extrem positiver und offener Mensch, der vor allem auf Teamgeist großen Wert legt“, berichtet Lukas Schubert. Der Kapitän des Regionalligisten SV Grödig lernte den Coach 2016 kennen, als er im Probetraining bei New Yorks zweiter Mannschaft stand.
Den Sprung nach Europa und das Lernen einer neuen Sprache sah der Vater einer 18-jährigen Tochter als Herausforderung, wie er im – auf Deutsch geführten – Interview mit der „Mitteldeutschen Zeitung“erklärte: „Ein zentraler Aspekt meiner Philosophie ist es, sich selbst herauszufordern, so oft es geht.“
Aus der Perspektive, in Europa auch einmal als Cheftrainer zu arbeiten, machte Marsch nie ein Hehl. Bereits zum Einstand als „Co“von Ralf Rangnick in Leipzig gab es 2018 sogar einen eigenen Pressetermin mit Marsch – außergewöhnlich für einen Trainerassistenten. Dass dieser nun nach Salzburg wechselt, sehen Teile des Bullen-Anhangs als Beleg für eine immer noch intensive Einflussnahme von Rangnick beim österreichischen Serienmeister. Die „Nein zu Marsch!“-Plakate auf der Fantribüne kommen dem Neuen gar nicht ungelegen. Betonte er doch im Interview: „Menschen wachsen immer dann am besten, wenn das Leben unbequem ist.“