Wo die Radfahrer das Nachsehen haben
Hohe Unfallzahlen von Radfahrern zeigen: Salzburgs Straßen sind für Autofahrer konzipiert, und nicht für Radfahrer.
SALZBURG-STADT. Der Kreisverkehr an der Gabelsbergerstraße ist ideal für den Autoverkehr. Für Radfahrer ist er eine Gefahr. Das belegen die Zahlen: 20 Unfälle, bei denen Radfahrer verletzt wurden, haben sich dort innerhalb von drei Jahren (2015 bis 2017) ereignet. Das sind ein Drittel mehr als im Dreijahresvergleich von 2014 bis 2016, damals waren es 15. Der Kreisverkehr steht damit zum wiederholten Mal auf Platz eins der gefährlichsten Straßenstellen für Radfahrer.
Jetzt reagiert die Stadtpolitik: Der Kreisverkehr kommt weg und wird Anfang Mai zu einer Kreuzung zurückgebaut, die Ampeln sind bereits bestellt. Damit wird ein Provisorium beendet, das mit dem Bahnhofsumbau begonnen hatte und seither aufrechterhalten worden ist.
Exakt 444 Unfälle, bei denen Radfahrer verletzt wurden, ereigneten sich 2017 im Salzburger Stadtgebiet. Offiziell – denn dabei handelt es sich nur um jene Unfälle, die bei der Polizei gemeldet werden. Die tatsächliche Anzahl von Unfällen liege viel höher, sagt Mobilitätsforscher Martin Loidl von der Universität Salzburg. Nur etwa 15 bis 30 Prozent aller Fahrradunfälle würden von der Polizei aufgezeichnet. Wenn es um die Frage der gefährlichsten Straßenstellen für Radfahrer geht, dann sind ihm die gemeldete Zahl an Radunfällen und die sich daraus ergebenden Unfallhäufungspunkte nicht aussagekräftig genug.
Zusammen mit seinem Team am Fachbereich für Geoinformatik verbindet er die reale mit der virtuellen Welt, um zu möglichst validen Informationen über Gefahrenstellen für Radfahrer zu kommen. Dabei verbinden die Forscher Daten wie bei Radfahrern gemessene Stressindikatoren und Ergebnisse aus Befragungen mit der realen Welt – also mit der Verkehrsinfrastruktur, mit Verkehrsstärken und dem Straßenraum. „Interessant ist für uns auch das subjektive Sicherheitsgefühl von Radfahrern. Wir sprechen hier von Beinaheunfällen, von brenzligen Situationen, die Radfahrer als riskant erleben“, sagt Martin Loidl.
Der Kreisverkehr bzw. die Verkehrsführung bei der Gabelsbergerstraße vor dem Nelböck-Viadukt stellt auch aus der Sicht der Wissenschafter eine hohe Gefahr für Radfahrer dar. „Ein Radfahrer kommt auf einem breiten Radweg aus der Unterführung, quert die Kreuzung dann auf einer verschwenkten Alibi-Radfahrerüberfahrt und findet sich dann – wenn er sich an die Straßenverkehrsordnung hält – plötzlich auf der Fahrbahn und hat Nachrang, weil er erneut in den Kreisverkehr einfahren muss“, schildert der Experte. Besonders irrwitzig findet er, dass die an und für sich attraktive Radgarage an der Lastenstraße beim Hauptbahnhof nicht an das Radwegenetz angeschlossen ist. Auch von der anderen Seite des Hauptbahnhofs gebe es für Radfahrer keine legale Möglichkeit, ohne abzusteigen in Richtung Nelböck-Viadukt abzubiegen. Loidl spricht von „Systembrüchen“, die sich an vielen anderen Stellen in der Landeshauptstadt zeigen.
Der Rückbau des Kreisverkehrs vor dem Nelböck-Viadukt ist ein Kompromiss – der sich rasch und kostengünstig umsetzen lässt. Für die viel radfahrfreundlichere,
„Salzburgs Radfahrer stehen vor einem Fleckerlteppich.“
aber auch teurere Variante, einen schon vor Jahren angedachten Radweg entlang des Bahndamms von Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt, wurde nie eine Kostenschätzung erstellt.
Schon einmal haben die Stadtpolitiker zuungunsten der Radfahrer gespart. Beim Bau der S-Bahn-Station Aiglhof wäre eine Radbrücke um 300.000 Euro „mitgegangen“. Die Politik entschied sich dagegen und bereute es. Die Radbrücke wurde im Nachhinein errichtet und verschlang 1,3 Millionen Euro. Immerhin: Spät und zu einem hohen Preis wurde so eine Lücke im Hauptradwegenetz geschlossen.
Auf dem Weg zum von der Politik versprochenen bahnbegleitenden Premium-Radweg, der irgendwann einmal lückenlos (und schneller als mit dem Auto) bis nach Freilassing führen soll, warten aber noch weitere Gefahrenstellen. Eine davon befindet sich an der Kreuzung GaswerkgasseWallnergasse.
Die vom ausgebauten Radweg entlang der Bahn kommenden Radfahrer müssen plötzlich eine von Autos stark frequentierte Fahrbahn queren. „Wieder ein Systembruch“, sagt Loidl. Und: Mit acht registrierten Radfahrerunfällen ein weiterer Unfallhäufungspunkt in der Stadt Salzburg. Auch hier könnte eine Radfahrerbrücke bzw. eine Verlängerung der Radfahrerrampe von der S-Bahn-Station Aiglhof Abhilfe schaffen. Wahrscheinlicher (weil günstiger) ist aber eine Ampelregelung.
Dass es auch besser geht, zeigt der Radweg entlang der Salzach. „Der erfüllt mit seiner Breite, der Ästhetik und den wenigen Kreuzungen den Goldstandard“, sagt Martin Loidl. An Spitzentagen frequentieren ihn bis zu 10.000 Radfahrer. Unfallhäufungspunkte gibt es dort keine.