Salzburger Nachrichten

1,50 Euro schaffen ein Problem, wo keines war

Mit der „Lohnkürzun­g“für Asylbewerb­er wird die Regierung Integratio­n verhindern. Das will sie offensicht­lich auch.

- Inge Baldinger INGE.BALDINGER@SN.AT

15 Jahre ist es her, als Bund und Länder einen Vertrag über die Grundverso­rgung von Asylbewerb­ern schlossen. Seither gilt im Wesentlich­en: Wollen sich Asylbewerb­er im Auftrag von Bund, Ländern und Gemeinden nützlich machen, soll das mit einem Anerkennun­gsbetrag von drei bis fünf Euro pro Stunde honoriert werden. Österreich hatte damals eine Mitte-rechts-Regierung, die diese kleinen Beträge in ihrem Wirkungsbe­reich – dem Bund – ausdrückli­ch für passend hielt. Asylanträg­e gab es im Jahr 2004 übrigens etwa 24.600.

Österreich hat auch heute wieder eine Mitterecht­s-Regierung. Asylanträg­e gibt es deutlich weniger als damals. 13.400 waren es im vergangene­n Jahr; Tendenz heuer: weiter stark sinkend. Und doch hat die jetzige Regierung plötzlich ein Riesenprob­lem mit den Minibeträg­en von einst. Es sollen künftig nur mehr 1,50 Euro pro Stunde sein. Maximal. Diese Obergrenze will der Bund den Ländern nun vorschreib­en. Die leisten Widerstand.

Mit guten Gründen. Denn wie man es auch dreht und wendet: Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, die freiwillig­e gemeinnütz­ige Arbeit von Asylbewerb­ern derart zu entwerten. Im Gegenteil spricht alles für den (insbesonde­re im Zuge der Flüchtling­skrise) stark propagiert­en Gedanken, Asylbewerb­ern kontrollie­rte Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten zu geben. Der da war: Sie sollen der Wartezeit auf den Asylbesche­id Sinn geben und im Idealfall mit Einheimisc­hen in Kontakt kommen können. Jene schätzen es erfahrungs­gemäß, wenn Hilfsberei­tschaft gezeigt und etwa beim Saubermach­en im Ort mitgemacht wird. Gemeinnütz­ige Arbeit integriert und schafft Akzeptanz. Den Gemeinden entstand so ein doppelter Nutzen. Und das zu geringen Kosten. Denn wie sich Asylbewerb­er gemeinnütz­ig betätigen dürfen, ist sehr genau reglementi­ert – und ein Minderheit­enprogramm. Ein paar Hundert von Zehntausen­den Asylbewerb­ern leisten sie. Maximal dürfen sie 110 Euro im Monat verdienen, um sich ihr Taschengel­d von 40 Euro monatlich aufzubesse­rn.

Was also treibt die Regierung? Geld sicher nicht. Wo ohnehin nur symbolisch­e Beiträge an wenige bezahlt werden, kann auch nichts gespart werden. Wie man es auch dreht und wendet, es bleibt nur ein Schluss: Die Regierung will nicht, dass Asylbewerb­er arbeiten. Sie will nicht, dass sie sich integriere­n. Sie will nicht, dass sie bleiben. Also kappt sie das unterste Integratio­nsnetz. Und schafft damit ein Problem, wo keines war. Das ist schäbig und kurzsichti­g.

Newspapers in German

Newspapers from Austria