Kein Leben in der Hängematte
Dass Menschen zum Nichtstun auf Kosten der Allgemeinheit tendieren, ist eine böswillige Verallgemeinerung.
Regierungsvertreter begründen die Reform der Mindestsicherung unter anderem damit: „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein.“Sprich: Es muss Schluss sein damit, dass rechtschaffene Bürger fleißig sein müssen, um zu Geld zu kommen, während andere auf Kosten der Allgemeinheit in der Hängematte liegen.
Das Bild, das damit vermittelt wird, ist erstens gefährlich und zweitens falsch. Zunächst einmal trägt es dazu bei, Teile der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen; die Erwerbstätigen gegen alle anderen nämlich. Zum anderen ist die Vorstellung, dass die Mindestsicherung ausreicht, um ein gutes Leben führen zu können, weit daneben. Mag sein, dass es ein paar Genügsame gibt, die mit knapp 900 Euro im Monat über die Runden kommen und im Übrigen so ausgeglichen sind, dass sie sich ganz dem Müßiggang hingeben können. Der Masse ist das jedoch unmöglich. Sie ist nicht dazu geboren.
Man kann die Vorstellungen ruhig umdrehen: Die mit Abstand meisten Menschen tendieren nicht zum Nichtstun, sondern zum Fleiß. Sie haben Träume und wollen diese verwirklichen. Vom flotten Auto bis zum netten Eigenheim. Dazu nötig ist harte Arbeit, die im besten Fall zu genügend Geld führt. Außerdem sollte man dies nicht übersehen: Arbeit ist sinnstiftend, keinen Job zu haben ist frustrierend, ja sogar krank machend.
Die Statistik Austria hat genau das bei Erhebungen festgestellt: Die Lebenszufriedenheit ist in keiner Bevölkerungsgruppe niedriger als bei den Langzeitarbeitslosen. Ähnlich verhält es sich nach verfügbarem Einkommen: Im untersten Fünftel ist die Zufriedenheit am geringsten. Der Anteil der chronisch Kranken ist bei den Langzeitarbeitslosen mit 54 Prozent wiederum überdurchschnittlich groß. Zum Vergleich: Bei Vollzeitbeschäftigten sind es mit 28 Prozent halb so viele.
Auch vor diesem Hintergrund kann der Umstand, dass es in den vergangenen Jahren immer mehr Mindestsicherungsbezieher gegeben hat, nicht mit zunehmender Faulheit erklärt werden. Entscheidend war vielmehr die steigende Arbeitslosigkeit, die vor allem Personen mit einem niedrigen Bildungsstand betroffen hat. Was dafür spricht: Seit die Arbeitslosigkeit zurückgeht, sinkt auch die Zahl der Mindestsicherungsbezieher, die ihrerseits zumindest in der Bundeshauptstadt mit großer Mehrheit allenfalls nur einen Pflichtschulabschluss haben.
Apropos Wien: Auch hier geht die Zahl der Bezieher recht stark zurück. Im März 2017 waren es 152.401, 2018 handelte es sich um 140.103 und heuer um 131.393, darunter ein Drittel Kinder und ein kleinerer Teil Pensionisten, bei denen sich die Frage nach einem Job erst gar nicht stellt. WWW.DIESUBSTANZ.AT