Salzburger Nachrichten

„Gewöhnen wir uns erst gar nicht an diese Regelung“

Arbeiten an einem besonderen Feiertag: Der evangelisc­he Bischof will gegen den neuen Karfreitag­sbeschluss der Regierung kämpfen.

- MICHAELA HESSENBERG­ER

WIEN. Zu schnell, zu kurzsichti­g, zu einseitig – so lässt sich zusammenfa­ssen, was der evangelisc­he Bischof Michael Bünker von der aktuellen Karfreitag­sregelung hält.

Zur Erinnerung: Infolge eines EuGH-Urteils hat die österreich­ische Bundesregi­erung den bisher freien Karfreitag für evangelisc­he Christen, Methodiste­n und Altkatholi­ken gestrichen. Stattdesse­n gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal einen „persönlich­en Feiertag“. Wie das in der Praxis aussieht? Alle Arbeitnehm­er haben das Recht, sich ein Mal pro Jahr einen freien Tag – auch gegen den Willen des Dienstgebe­rs, allerdings aus ihrem eigenen Urlaubskon­tingent – zu nehmen.

„Gewöhnen wir uns erst gar nicht an diese Regelung“, sagt Bünker im SN-Gespräch mit Nachdruck. „Wir werden den Entscheid nun daraufhin untersuche­n lassen, ob er verfassung­skonform ist.“Der Bischof zeigte sich zuversicht­lich, dass eine fundierte, gründlich vorbereite­te Beschwerde beim Verfassung­sgerichtsh­of Erfolg haben wird. Er sieht etwa den Gleichheit­sgrundsatz zwischen Religionen verletzt; an ihren wichtigste­n Feiertagen haben Katholiken frei. Eingereich­t soll die Beschwerde Mitte Mai werden.

Der 64-Jährige ist offensicht­lich mehr als unzufriede­n mit dem, was der Nationalra­t am 27. Februar beschlosse­n hat. Dass der freie Karfreitag bis dahin eine Bevorzugun­g der Protestant­en war, ist ihm durchaus bewusst: „Wir haben das als gerechtfer­tigt angesehen, weil wir auf eine jahrhunder­telange Geschichte der Unterdrück­ung und Verfolgung in Österreich zurückblic­ken“, erklärt er. Der freie Karfreitag sei daher stets als eine Form der Anerkennun­g verstanden worden.

Dabei ist die nicht zufriedens­tellende Variante mit dem persönlich­en Feiertag für Bünker nicht einmal die allerschle­chteste Lösung. „Ich war froh, dass noch Schlimmere­s verhindert werden konnte“, sagt der Bischof. Damit meint er den ursprüngli­chen Plan der Koalition für einen halben Feiertag für alle, aber erst ab 14 Uhr.

Doch das geht weit an der Praxis der Protestant­en vorbei: Denn die Hauptfeier­lichkeiten und Gottesdien­ste zum Karfreitag finden am Vormittag statt. Für die Protestant­en steht das Leiden Christi im Vordergrun­d. Deshalb starten die Feierlichk­eiten um 9 Uhr. Katholiken hingegen legen den Fokus auf Jesu Tod, dessen um 15 Uhr gedacht wird. Eine Verschiebu­ng auf den Nachmittag, an dem alle freigehabt hätten, sei demnach „unmöglich und absolut inakzeptab­el“gewesen, so der Bischof.

Ein weiterer Kritikpunk­t in der Karfreitag­sdebatte bleibt für Michael Bünker das Tempo. Unter dem massiven Zeitdruck der Regierung sei es unmöglich gewesen, einen Konsens zu erzielen, mit dem alle Betroffene­n umgehen können. Schlimmer noch: Obwohl es offensicht­lichen Gesprächsb­edarf gegeben hatte, sei es nie zu formellen Verhandlun­gen gekommen. Auch das verbriefte Recht der evangelisc­hen Kirche, zu Gesetzen Stellung zu nehmen, sei ihr nicht einmal in eigener Sache zugestande­n worden.

Bünkers Vorschlag hätte jedenfalls gelautet, in Ruhe alle Standpunkt­e zu hören, abzuwägen und gemeinsam zu einem gangbaren Weg zu kommen. Ob es eine Neuregelun­g für den Karfreitag noch in diesem oder aber erst im kommenden Jahr gegeben hätte, wäre für die Wirtschaft nicht weiter von Bedeutung gewesen, argumentie­rt er. Immerhin fällt der 8. Dezember in diesem Jahr auf einen Sonntag.

Selbst Kardinal Christoph Schönborn hatte die rasch herbeigefü­hrte, derzeit geltende Variante als „hatschert“bezeichnet.

Den Einwand, dass Österreich mit seinen 13 Feiertagen (zehn kirchliche und dazu noch drei staatliche) ohnehin schon viele habe, kontert Bünker: „Damit liegen wir nicht an der Spitze im EU-Vergleich. Es gibt Länder, die haben bis zu 20 freie Tage. Und das, ohne dass ihre Wirtschaft leidet oder gar aus ihren Fugen gerät.“

Rund 300.000 Frauen und Männer, die zu den evangelisc­hen Christen, Methodiste­n oder Altkatholi­ken gehören, sind in Österreich von der neuen Karfreitag­sregelung betroffen. Doch nur wenige von ihnen haben den persönlich­en Feiertag auch tatsächlic­h bei ihrem Arbeitgebe­r eingereich­t oder gar eingeforde­rt. Eine Statistik darüber, wie viele es tatsächlic­h sind, fehlt. Die Wirtschaft berichtet von einigen beantragte­n Urlaubstag­en, die Gesamtzahl sei jedoch gering.

In Bischof Bünkers E-Mail-Postfach seien Nachrichte­n eingegange­n, in denen Gläubige ihre Sorge darüber kundgetan hätten, wie ihre Arbeitgebe­r wohl auf das Einfordern des Feiertags reagieren würden. „Ich trau mich nicht“, so der Grundtenor. Immerhin seien dem Repräsenta­nten der evangelisc­hen Christen keine Fälle bekannt geworden, in denen Arbeitgebe­r Druck auf ihre Angestellt­en ausgeübt hätten, am Karfreitag an ihrem Arbeitspla­tz zu erscheinen.

Ob er betroffen sei, dass sich nach all den Diskussion­en nur so wenige am Karfreitag freigenomm­en haben? „Nein. Und ich bin sicher, dass heuer noch mehr Menschen als sonst die Gottesdien­ste am Vormittag in ihren Gemeinden besuchen werden.“Zuversicht­lich mache ihn auch, dass evangelisc­he Dienstgebe­r ihren Mitarbeite­rn oft ohnehin freigäben, ebenso wie etliche öffentlich­e Einrichtun­gen.

Diesen Karfreitag wird Michael Bünker selbst in Gols im Burgenland verbringen – einer der anteilsmäß­ig stärksten evangelisc­hen Gemeinden Österreich­s. Da die Feierlichk­eiten bekanntlic­h am Vormittag stattfinde­n, hat sich auch der katholisch­e Bischof von Eisenstadt, Ägidius Zsifkovics, für Gols angekündig­t. Ein Zeichen der Wertschätz­ung, das Bünker in diesen Tagen besonders gebrauchen kann.

„Wir werden untersuche­n lassen, ob die Regelung verfassung­skonform ist.“Michael Bünker, Bischof

 ?? BILD: SN/APA ?? Bischof Michael Bünker will von der Regierung gehört werden.
BILD: SN/APA Bischof Michael Bünker will von der Regierung gehört werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria