Wieso die Pressefreiheit in Österreich schwächelt
Nicht nur die Kritik der Freiheitlichen am ORF schadet den österreichischen Medien.
WIEN. Jahr für Jahr veröffentlicht die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen ihre weltweite Rangliste der Pressefreiheit. Und Jahr für Jahr ist die Wertung aus heimischer Sicht wenig aufregend: Österreich verbessert sich kaum, verschlechtert sich aber auch nicht. Doch nicht so dieses Jahr. In der 2019erRangliste rutschte Österreich um fünf Plätze auf Rang 16 ab. Und somit auch raus aus Kategorie eins („Gute Lage“) und rein in die zweite Klasse („Zufriedenstellend“).
Doch wieso hat die heimische Pressefreiheit gelitten? Fritz Hausjell war einer jener Experten, die für das Reporter-ohne-Grenzen-Ranking um die Einschätzung der Lage in Österreich gebeten wurden. „Ein Grund ist die ,Message-Control‘ von Türkis-Blau“, sagt der Kommunikationswissenschafter. Das Personal für politische Öffentlichkeitsarbeit sei ausgeweitet worden, während viele Medienhäuser mit ausgedünnten Redaktionen kämpften. „Wenn ich als Redaktion nicht so stark auftreten kann wie die andere Seite, werde ich ein Stück weit ins Hintertreffen geraten.“Ein weiterer Grund seien die direkten Angriffe auf (ORF-)Journalisten. Und zwar nicht nur von FPÖ-Seite: „Wenn der Kanzler nach einem Ministerrat Ö3 attackiert, ist das beileibe nicht vorbildhaft.“Sebastian Kurz hatte dem Radiosender „Falschinformationen“bei der Berichterstattung zur Parteienförderung unterstellt.
Laut Hausjell ist Österreich wieder dort angelangt, wo es bereits in Zeiten der beiden Schüssel-Regierungen gewesen ist. „Und das erst nach einem Jahr Türkis-Blau.“Die Regierung müsse die Wertung als „deutliches Alarmzeichen“sehen. Denn man verlasse hier einen Bereich, der für eine Demokratie hochsensibel sei. Zumal bestimmte Brocken ja erst angegangen werden – etwa die „immer noch nicht geklärte Frage der Medienförderung“oder das geplante neue ORF-Gesetz.
Von ÖVP und FPÖ wird die Lage freilich weniger kritisch gesehen. Auf SN-Anfrage verweist Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal darauf, dass man journalistische Arbeit von den Beschränkungen durch die Datenschutzgrundverordnung ausgenommen habe. Allein deshalb könne „von einer Einschränkung keine Rede sein“.
Damit sich die Pressefreiheit wieder verbessert, fordert Hausjell indessen zum einen „Finger weg vom ORF“. Zum anderen spricht er sich für ein Ende des Amtsgeheimnisses aus. Und auch der Verband Österreichischer Zeitungen plädiert für ein Informationsfreiheitsgesetz, das Journalisten breiteren Zugang zu Behördendaten gewährt.
Die größten Vorbilder für den Umgang mit Pressefreiheit sind überdies in Skandinavien zu finden: Die ersten Plätze der Reporter-ohne-Grenzen-Liste belegen Norwegen, Finnland und Schweden. Am Ende der Wertung liegt hingegen Turkmenistan – noch einen Platz vor Nordkorea. Der weltweite Schnitt hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozent verschlechtert; seit 2014 sind es elf Prozent.