Helfende Hände für Notre-Dame
Steinmetze, Zimmerer, Restaurateure: Um die Kathedrale wieder aufzubauen, ist Spezialwissen gefragt. Auch Salzburg könnte helfen.
SALZBURG. Der Zeitplan ist ambitioniert. Vielleicht zu ambitioniert, wie viele Experten anmerken: In fünf Jahren soll Notre-Dame wieder in neuem Glanz erstrahlen. Mit der Leitung des Wiederaufbaus hat der französische Präsident Emmanuel Macron den General Jean-Louis Georgelin beauftragt. In den kommenden Wochen stehen Notfallarbeiten im Vordergrund. Anschließend muss entschieden werden, wie die Kathedrale wieder aufgebaut wird. Für den eingestürzten Spitzturm ist ein Architekturwettbewerb geplant.
Der Handwerksverband Compagnons du Devoir erklärte bereits, es fehle in Frankreich an ausreichend Fachkräften. Steinmetze, Zimmerleute und Dachdecker seien für die Restauration des gotischen Gotteshauses aus dem 12. Jahrhundert gefragt. Unterstützungsangebote kommen nun aus vielen Ländern, darunter Österreich.
Der Sitz des europäischen Steinmetzverbands ist derzeit in Hallein, am Steinzentrum, wo Handwerker auch Techniken des Mittelalters lernen. „Wir haben in Europa eine derart gute Ausbildung, dass ich mir keine Sorgen mache, dass NotreDame wieder perfekt hergerichtet werden kann“, sagt Norbert Kienesberger, Generalsekretär des Vereins. Gerade in Österreich sei der Ausbildungsstand sehr gut – nicht ohne Grund kommen von hier immer wieder Welt- und Europameister. Im Vorjahr holte etwa Robert Moser aus Seekirchen Silber bei den Euro-Skills in Budapest. Falls Frankreich Unterstützung brauche, sei man gerüstet. „Meine Kollegen quer durch Europa sagen: Da sind wir dabei, da helfen wir mit.“Auch wenn schnelle Hilfe gebraucht werde, wenn etwa die Statik in Gefahr ist.
Wolfgang Ecker, Bundesinnungsmeister der Steinmetze, fügt hinzu: „Einen Hauptanteil beim Wiederaufbau werden Steinmetze leisten müssen. Ich bin aber überzeugt, dass es europaweit genügend Fachkräfte gibt. Deutschland hat ja auch die Frauenkirche wieder aufgebaut.“Allein 750 Betriebe gebe es österreichweit. „Da sind schon Kapazitäten da.“
Wolfgang Zehetner, Stephansdom-Baumeister und Vorsitzender der Vereinigung der Europäischen Dombaumeister, gibt jedoch zu bedenken, dass die Zahl der Spezialisten im Stein- und Restaurierungsbereich sehr wohl begrenzt sei. Man werde Fachkräfte aus dem Stephansdom für Notre-Dame abstellen, sagte er gegenüber Kathpress. Auch andere Dombauhütten haben Hilfe zugesagt. Aber man könne nicht alle Kollegen von bestehenden Projekten abziehen.
Auch steirische Experten – die Holzwirtschaft und das Institut für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz – haben Hilfe angeboten. Beim Wiederaufbau historischer Holzkonstruktionen sei hier sehr viel Wissen vorhanden. Auch in anderen Bereichen könnte Österreich helfen. Schließlich liegt ein Weiterbildungszentrum im Wienerwald: In der Kartause Mauerbach werden seit 35 Jahren Handwerker in den traditionellen, alten Techniken ausgebildet. „Hier hat man die Bedeutung historischer Handwerkstechniken früh erkannt. Wir sind gut aufgestellt“, sagt Leiterin Astrid Huber vom Bundesdenkmalamt (BDA). Seit eineinhalb Jahren gibt es mit der European Heritage Academy als Kooperation von Burghauptmannschaft und BDA auch ein internationales Weiterbildungsangebot. Für den Wiederaufbau von Notre-Dame werde man Spezialwissen benötigen, gerade von Steinmetzen. „Die Problematik ist, dass Kalkstein durch die Hitze porös wird und in Verbindung mit Wasser zu Löschkalk wird. Er löst sich auf. Die Oberfläche ist weg“, erklärt Huber.
Das Problem bei einem Wiederaufbau bestehe darin, dass viele alte Techniken nicht mehr in der Breite gelehrt würden, sagt Reinhold Sahl, Chef der Burghauptmannschaft Österreich, die unter anderem für den technischen Betrieb und die Sanierung öffentlicher Gebäude wie der Hofburg zuständig ist. Mindestens zehn bis 20 Berufe seien von diesen Arbeiten betroffen. Zu den Berufen, die am schwierigsten zu finden seien, gehörten Vergolder und Tapisseure, Experten für Wandbespannungen. Bedarf bestehe auch an Stuckrestauratoren, Graveuren und Ziseleuren. Allein die Planung und die Vorbereitungsarbeiten für ein Projekt wie Notre-Dame nähmen viel Zeit in Anspruch, sagt Sahl. „Davor sind eine Reihe von Entscheidungen zu treffen: In welcher Periode wird saniert? Gab es im Lauf der Jahrhunderte schon Nachbearbeitungen? Wie geht man mit Dingen um, die nicht mehr herstellbar sind?“Solche Entscheidungen könnten und sollten nicht schnell getroffen werden.
„Kollegen quer durch Europa sagen: Da sind wir dabei, da helfen wir mit.“Norbert Kienesberger, Steinmetz