Protestantismus in Österreich Von der Gegenreformation bis heute
„Die Protestanten haben weite Teile Österreichs im 16. Jahrhundert dominiert“, sagt Rudolf Leeb (im kleinen Bild), Professor für Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Nach der Gegenreformation und der katholischen Reform sei dann im 17. und 18. Jahrhundert eine Phase gefolgt, in der Protestanten im Untergrund leben mussten. In dieser Zeit kam es auch zu Massenemigrationen, international Aufsehen erregenden Ausweisungen (wie jener 1731/32 aus dem Pongau und Pinzgau) sowie zu Zwangsumsiedlungen nach Siebenbürgen. Diese Geheimprotestanten, Handwerker und Bauern, überlebten in Kerngebieten. Von Bauern zu Intellektuellen: Verdienten Protestanten lange als Bauern und Handwerker ihren Lebensunterhalt, zogen sie ab der Mitte des 19. Jahrhunderts vermehrt vom Land in die Städte. „Spätestens um 1900 ist dann ein frommes Bürgertum entstanden, dem sich gleichzeitig ein liberal-intellektuelles zur Seite gesellte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahmen Konversionen zum Protestantismus langsam zu“, berichtet Rudolf Leeb und ergänzt: „Auch Arbeiter, die Bildung angestrebt haben, haben im Protestantismus eine Religion des Fortschritts gesehen.“ Für das deutschnationale Bürgertum wurde Anfang des 20. Jahrhunderts der Protestantismus attraktiv; zugleich machte sich Antikatholizismus breit. Der Protestantismus in Österreich wurde anfällig für den Anschlussgedanken der Nationalsozialisten. „Doch die Begeisterung ist sehr rasch verflogen, als man dem wahren Gesicht des Nationalsozialismus begegnete“, so der Kirchenhistoriker Leeb. Auf die Ernüchterung folgte ab 1939 die Verweigerung gegenüber dem Regime. Die evangelische Kirche wandte sich von der deutschnationalen Orientierung, aber auch vom Antikatholizismus ab. Man fand die Identität der Kirche im Amt der Verkündigung und in der Spendung der Sakramente. Man konzentrierte sich auf das kirchliche Handeln und ging auf Distanz zur Politik. Erst ab den 1970ern änderte sich das.