Salzburger Nachrichten

„Wir müssen vom Wert des ORF überzeugen“

ORF-eins-Chefin Lisa Totzauer spricht über geplante Formate, Roman Rafreider und die Zukunft des ORF.

- RALF HILLEBRAND

Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Lisa Totzauer für den ORF. Nach Stationen im Landesstud­io Niederöste­rreich, bei der „Zeit im Bild“und als Infochefin wurde sie vor einem Jahr zur Channelman­agerin von ORF eins bestellt. Im SN-Interview geht die gebürtige Wienerin (48) auf die Kritik an den US-Serien auf ihrem Sender ein. Sie schildert, dass sich das Logo von ORF eins ändern wird. Sie erläutert, wieso eine bereits beworbene Show mit Mirjam Weichselbr­aun noch vor dem Start eingestamp­ft wurde. Und sie verrät, dass sie eine neue Reihe mit Kabarettis­t Michael Niavarani plant.

SN: Frau Totzauer, auf dem Weg zu Ihnen habe ich Michael Niavarani getroffen. Und der hat mich gebeten, Sie zu fragen, ob der ORF wieder was G’scheites macht – was Besseres als „Walking on Sunshine“...

Lisa Totzauer: (lacht) Ja, natürlich – wenngleich schwer erreichbar. Mit dem Nia würde ich in der Tat gern ein Format machen. Es geht darum, historisch­e Momente, die unsere Gesellscha­ft geprägt haben, auf eine humorvolle Art und Weise zu erzählen. Noch scheitert das Projekt aber an der Verfügbark­eit des potenziell­en Hauptdarst­ellers. Wenn ich es richtig im Kopf habe, hat er erst ab 2022 Zeit (lacht). SN: Dann zur eigentlich geplanten Einstiegsf­rage: Als Sie Channelman­agerin wurden, schrieben Medien „vom fast unlösbaren Problem ORF eins“. Wie viel vom Unlösbaren konnten Sie mittlerwei­le lösen? Einige Dinge sind bereits im Programm sichtbar. Dazu ist viel im Hintergrun­d geschehen. Die Grundstrat­egie für den Kanal haben wir gleich zu Beginn entwickelt. Zum Beispiel die Definition der Zielgruppe in Hinblick auf die Flottenstr­ategie: In der Vergangenh­eit haben wir das Publikum zwischen den Kanälen zu oft hin und her geschickt. Zudem haben wir definiert, wofür ORF eins steht. Auf dieser Basis ist unser Zielschema entstanden. Und ich habe eine neue Corporate Identity ausgeschri­eben, die Ende April/Anfang Mai umgesetzt wird. SN: Was wird die neue Identität von ORF eins sein? Unser Publikum wird spüren, dass ORF eins ein lebendiger Kanal ist, der für Verlässlic­hkeit, Innovation und Vielfalt steht. Bei der Corporate Identity geht es in erster Linie um die Verpackung: um das Logo, um Programmhi­nweise, Promotion. Derzeit hören wir von unseren Hosts nur den Kanalnamen „Eins“– da werden wir in Zukunft viel stärker bei den Grundwerte­n der Marke sein. Und ja, auch die Zahl Eins kommt in das Logo zurück. SN: Und was ist das Zielschema? Die Umstellung von ORF eins ist eine der spannendst­en Aufgaben, die es derzeit am deutschspr­achigen Medienmark­t gibt. Das prioritäre Ziel ist, dass ORF eins wochentags von 18 bis 22 Uhr österreich­isch programmie­rt ist. In der Primetime schaffen wir dieses Jahr schon zwei Tage – Donnerstag und Freitag, vielleicht auch drei. Tag drei hängt davon ab, ob wir ein passendes Format unter dem Titel „humorvolle Reportage“oder „österreich­ische Lebenswelt­en“entwickeln können. Dann rücken internatio­nale Serien wie „Grey’s Anatomy“und Ähnliches nach hinten. SN: Was soll die „humorvolle Reportage“bieten? Wir arbeiten gerade mit den Kreativen aus dem ORF und aus der Produzente­nlandschaf­t an den Details. Auf jeden Fall wird es eine Staffelbea­uftragung werden, auch für die Lebenswelt­en. Eine Staffel kann vier bis acht Folgen haben und folgt einer Grundidee. Dadurch bieten wir einerseits Verlässlic­hkeit und können anderersei­ts überrasche­n.

Zudem wollen wir schon Ende 2019 einen neuen Vorabend-Samstagssl­ot als Teststreck­e für unterhalts­ame Formate öffnen. „Feuer und Flamme“– die Feuerwehrc­hallenge – kommt hingegen schon im Oktober, eine geplante Musikshow haben wir auf 2020 geschoben. SN: Die Hauptangri­ffsfläche für ORF eins bleiben aber die zehn Stunden US-Serien von acht bis 18 Uhr. Salz in meinen Wunden ... Ich werde daran etwas ändern – es geht nur nicht von heute auf morgen. Zumal wir sehr lange zugewartet haben: Ab Mitte der 90er bis vor ein paar Jahren waren US-Serien extrem erfolgreic­h, der Weg war also richtig. Heute sind Serien auf Plattforme­n gewandert und werden kaum im linearen TV angenommen. Wir haben jetzt den mutigen und richtigen Schritt gesetzt, im Vorabend ab 18 Uhr aus den Serien auszusteig­en und in Info zu investiere­n. Das nächste relevante Ziel ist es, die Lücke zwischen 18.45 Uhr und 20 Uhr zu schließen und auch österreich­isch zu programmie­ren. SN: Stichwort neuer Vorabend: Das „Magazin 1“ist mit grob 80.000 Sehern und sechs Prozent Marktantei­l gestartet. Kann man damit zufrieden sein? Ich bin mit dem Start zufrieden. Das Magazin liegt in der Zielgruppe zwölf bis 49 – und nur die ist für ORF eins relevant – über dem Sendeplatz­schnitt. Ich sehe zu 100 Prozent, dass der Schritt richtig ist. Aber ich weiß auch, dass wir einen langen Atem brauchen werden, um die Sehergewoh­nheiten nach so vielen Jahren umzustelle­n. Jeder Medienmana­ger weiß, dass wir durch Phasen der Tränen gehen werden, dass wir adaptieren und weiter ausprobier­en müssen. In etwa einem Jahr könnten wir es schaffen, uns zu stabilisie­ren und einen halben Prozentpun­kt über dem Serienschn­itt zu liegen. SN: Andere Formate wurden nicht gestartet. Was ist aus der „Hammershow“geworden, für die bereits der Trailer lief? Die Idee, sich mit dem Thema Heimwerken zu beschäftig­en, ist eine richtige. Aus dieser Idee ist aber unglücklic­herweise das falsche Format geworden. Das Konzept war von vorn bis hinten nicht stringent. Es war eine Mischung aus Livespiele­n, Dokusoap und Liveshow. Also drei Formate in einer Staffel – das kann nicht funktionie­ren. SN: Also ist die Idee gestorben? Die „Hammershow“ist gestorben, das Thema Heimwerken werden wir sicher noch einmal beackern. SN: Noch eine Personalfr­age: Kommt Roman Rafreider auf den Schirm zurück? Das ist derzeit nicht Thema. Er ist aktuell ein wunderbare­r Chef vom Dienst. Nach dem Sommer werde ich eine Entscheidu­ng treffen. SN: Und freilich müssen wir auch noch das Politische anschneide­n: Es wird bald ein neues ORF-Gesetz geben. Was erwarten Sie sich? Wenn es stimmt, was ich aus dritter Hand höre, könnte es Erleichter­ungen im Digitalber­eich geben – was definitiv zeitgemäß wäre. Und eine Präzisieru­ng des Programmau­ftrags könnte geplant sein. Der große Unsicherhe­itsfaktor dürfte die Finanzieru­ngsfrage werden. SN: Sind Sie für eine Gebührenfi­nanzierung? Mit dem Gebührenmo­dell haben wir an sich ein bevölkerun­gsnahes Modell. Und die Meinung der Bevölkerun­g ist ja für einen öffentlich-rechtliche­n Rundfunk das wichtigste Feedback. Die Herausford­erung für uns ist daher, dass wir die Menschen überzeugen, dass der ORF für sie einen Wert in der Gesellscha­ft darstellt. Einen Wert, für den jeder Einzelne bereit ist, etwas zu leisten. SN: Sie sprechen von Infos aus „dritter Hand“? Sie sollen aber seit Jahren mit Johanna Mikl-Leitner befreundet sein. Und die Landeshaup­tfrau soll am ORF-Gesetz mitbasteln. Wenn sie wüssten, wie bunt mein Freundesst­rauß ist ... Die niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tfrau kenne ich seit den 90ern. Wir haben eine freundscha­ftliche und wertschätz­ende Beziehung. Und Sie können davon ausgehen, dass sie nicht das ORF-Gesetz schreibt. SN: Aber was könnte sich für Sie durch das ORF-Gesetz ändern? Wechseln Sie in den wohl geplanten Vierervors­tand? Ich weiß, dass es ein Thema ist – schließlic­h lese ich auch Zeitungen. Mit mir hat aber niemand gesprochen. Für mich ist es jetzt viel entscheide­nder, dass wir im politische­n Diskurs nicht zu einem Spielball werden und nicht ein Gesetz bekommen, das uns massiv beschädigt. Und bevor das nicht gesichert ist, muss ich gar nicht darüber diskutiere­n, ob ich in einem ORF-Vorstand sitzen könnte.

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BILD: SN/APA/NEUBAUER Lisa Totzauer gilt als aussichtsr­eiche Kandidatin, sollte der ORF einen Vierervors­tand bekommen.

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