Die giftigen Geschäfte mit Elektroschrott
Vom europäischen Recyclinghof auf die afrikanische Deponie: GPS-Tracker entlarven illegale Elektroschrott-Exporte.
Computer, Mobiltelefone oder Fernseher werden oft nicht fachgerecht entsorgt, sondern landen über illegale Wege auf Deponien in Afrika. Eine Non-Profit-Organisation hat die Reise dieser Produkte nachverfolgt. Das UNO-Umweltprogramm schätzt den Wert der illegalen Entsorgung auf 19 Mrd. Dollar (17 Mrd. Euro) pro Jahr.
Die Reise des alten Monitors startete an einem Abfallwirtschaftshof in Dresden. Von dort ging es zu einem Recyclingunternehmen im Nordosten der Stadt, weiter in den Hafen von Antwerpen, per Schiff nach Sri Lanka und schließlich nach Thailand. Dort landete das Altgerät auf einer illegalen Müllhalde in Sriracha, 130 Kilometer südöstlich von Bangkok.
Was passiert, nachdem man den alten Computer, Drucker oder Monitor am Recyclinghof entsorgt hat? Die amerikanische NGO Basel Action Network wollte das genauer wissen und hat in einem aufwendigen, zwei Jahre dauernden Projekt den Weg des Elektroschrotts über die ganze Welt verfolgt. 314 Geräte wurden in zehn Ländern heimlich mit GPS-Trackern versehen. Das Ergebnis: Der Elektroschrott landet längst nicht immer in der Recyclinganlage, sondern sehr oft illegal im Ausland: in Thailand, Ghana, Tansania, Nigeria oder Pakistan.
In vielen Entwicklungsländern wird der Elektroschrott nicht fachgerecht entsorgt, sondern endet auf illegalen Deponien, vor allem in Afrika und Asien. Menschen schlachten die Geräte dort aus und setzen dabei ihre Gesundheit für einen Hungerlohn aufs Spiel: Mit bloßen Händen oder einfachen Werkzeugen werden Monitore zertrümmert. Plastikgehäuse werden verbrannt, um an die darunterliegenden Stoffe zu gelangen. Giftige Gase schädigen die Lungen der Arbeiter. Quecksilber oder Arsen sickern in den Boden und verseuchen das Grundwasser. In Accra, der Hauptstadt von Ghana, liegt die weltweit größte Elektroschrott-Müllhalde. Jedes Jahr landen hier 250.000 Tonnen Elektroschrott, illegal und hochgiftig. Dort verbrennen nicht selten Kinder die Altgeräte, um an die Kupferkabel zu kommen.
Insgesamt tauchten sechs Prozent der vom Basel Action Network mit Sendern versehenen Geräte außerhalb der EU auf. Elf Mal konnte die NGO illegalen Versand in Länder wie Ghana oder Nigeria nachweisen. Sechs Prozent klingen nach nicht viel. Rechnet man diese Summe aber hoch, wären das 352.474 Tonnen – oder eine 400 Kilometer lange Kette an mit Elektroschrott beladenen Lkw, die jedes Jahr von der EU in Entwicklungsländer gelotst werden, betont BAN-Direktor Jim Puckett: „Es scheint, als hätten wir einen bedeutenden Strom illegaler Sendungen von gefährlichem Elektroschrott an gefährdete Bevölkerungsgruppen entdeckt. Dies widerspricht den Behauptungen der EU, kontinuierlich Anstrengungen zu unternehmen, um eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen.“
Neben Belgien, Dänemark, Deutschland, Ungarn, Irland, Italien, Polen, Spanien und Großbritannien wurden auch in Österreich GPS-Sender montiert. Österreich schnitt gut ab. 19 Geräte wurden fachgerecht im Inland recycelt. Einen Ausreißer gab es jedoch: Ein alter Drucker, der in einem Wiener Saturn-Geschäft abgegeben wurde, landete mehr als 100 Kilometer entfernt im ungarischen Győrújbarát.
Bereits vor zwei Jahren hatte das Basel Action Network mit Sitz in Seattle das gleiche Experiment in den USA gewagt – mit weitaus schlimmeren Ergebnissen. 40 Prozent der mit Sendern versehenen Altgeräte landeten im Ausland. Allerdings gibt es dort auch keine Gesetze, die solche Exporte verbieten.
In der EU ist das anders: Elektroschrott muss gesondert gesammelt, fachgerecht entsorgt und darf nicht exportiert werden. Wie der Müll trotzdem ins Ausland gelangt? Tausende Tonnen werden falsch oder gar nicht deklariert. Batterien werden als Plastikmüll ausgegeben oder Altautos mit Computern vollgestopft und verschifft. Puckett fordert strengere Kontrollen. Die EU würde derzeit aber das Gegenteil tun. Er befürchtet, dass bestehende Regelungen der Basel-Konvention auf Druck der Elektronik-Industrie nun sogar aufgeweicht werden, und wirft der EU Scheinheiligkeit vor: „Sie klagt über die illegalen Exporte und bemüht sich gleichzeitig darum, sie legal zu machen. Die Antwort auf kriminelle Aktivitäten ist nicht die Legalisierung dieser Aktivitäten, sondern die verbesserte Durchsetzung von Gesetzen. Wir müssen sicherstellen, dass die zukünftige Gesundheit Europas nicht von der Vergiftung der übrigen Welt abhängig ist“, sagt Puckett.
Die Endstation des Monitors aus Dresden, die thailändische Müllhalde, sah sich Puckett vor etwa einem Jahr genauer an. Rund 20 Männer aus Myanmar zerlegten dort – illegal und unterbezahlt – die Altgeräte. Die meisten lebten sogar auf der Deponie. Puckett fand dort Dutzende Beweise für andere illegal exportierte Geräte aus Europa – darunter einige aus Deutschland und Österreich. Heute ist die illegale Deponie geschlossen: Die thailändische Regierung griff im Vorjahr hart durch. Zuvor hatte China – bisher der größte Importeur – ein weitgehendes Einfuhrverbot für den Müll verhängt. In Folge waren noch größere Mengen an Elektroschrott in Thailand gelandet. Nun verbietet ein Gesetz auch hier den Müllimport.