Frau erwachte nach 27 Jahren aus Koma
Eine Frau ist nach 27 Jahren aus dem Wachkoma erwacht. Solche Patienten werden oft jahrelang rund um die Uhr betreut. Dafür braucht man viel Spezialwissen und Einfühlungsvermögen.
Menschen, die im Wachkoma sind, werden oft jahrelang rund um die Uhr betreut. Dafür braucht man Spezialwissen und Einfühlungsvermögen.
SALZBURG, WIEN, BAD AIBLING. Im Juni des vergangenen Jahres hatte die Patientin zum ersten Mal auf Ansprache reagiert: Sie war, 27 Jahre nach einem schweren Autounfall, in einer Fachklinik im oberbayerischen Bad Aibling aus dem Wachkoma wieder zu Bewusstsein gekommen. Jetzt ist der Sohn der heute etwa 60-jährigen Frau aus den Vereinigten Arabischen Emiraten an die Öffentlichkeit gegangen, um anderen Angehörigen von Wachkomapatienten Zuversicht zu geben.
Dass die Frau nach so langer Zeit wieder „erwachte“und den Namen ihres Sohnes aussprechen konnte, ist ungewöhnlich (siehe nebenstehendes Interview). Es ist aber auch das Resultat intensiver Pflegeanstrengung. Die Frau habe sich zu Beginn in einem Zustand des minimalen Bewusstseins befunden. Sie habe manchmal mit den Augen etwas fixiert, sei also nicht völlig reaktionslos gewesen, sagt Chefarzt Friedemann Müller. Die schweren Spastiken und epileptischen Anfälle linderten die Ärzte medikamentös, ein Mittel wurde in den Rückenmarkskanal geleitet, um weitere Belastung des geschädigten Gehirns zu vermeiden. Mit einem Exoskelett, mit dem gelähmte Menschen motorgesteuert Bewegungen machen können, wurde sie mobilisiert.
In Österreich gibt es etwa 1000 Wachkomapatienten. Die meisten von ihnen sind unter 40 Jahre alt. Johann Donis ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Präsident der Österreichischen Wachkoma-Gesellschaft, die er vor 18 Jahren gegründet hat: „Die Pflege von Wachkomapatienten ist zeitintensiv und man braucht dafür sehr viel Personal. Es ist eine Eins-zueins-Betreuung. Ärzte, Pfleger, Therapeuten müssen dafür auch speziell geschult sein. Das besonders Schwierige ist, dass man mit einem Menschen kommunizieren muss, dass das aber auf herkömmliche Weise nicht geht.“
Die Patienten müssen nicht nur über eine Sonde künstlich ernährt werden. Hinzu kommt die aktivierende Pflege, in der der betreffende Mensch mit seinen Möglichkeiten gesehen wird. Es geht darum, seine vorhandenen Fähigkeiten zu nutzen, ihn immer respektvoll mit seinem Namen anzusprechen und herauszufinden, was ihm gefällt und nicht gefällt, was ihn fördert.
Christine Scherer leitet die Station Neurorehabilitation/Wachkoma der Universitätsklinik für Neurologie, neurologische Intensivmedizin und Neurorehabilitation der Christian-Doppler-Klinik der PMU. Sie berichtet aus dem Alltag der Pflege: „Es kommt sehr auf die gute Beobachtung an. Wir müssen herausfinden, wie es dem Patienten mit unserer Therapie geht. Seine Situation ist nicht jeden Tag gleich und wir nehmen auf das Rücksicht. Wachkomapatienten können vieles empfinden und verstehen. Das bedeutet also, dass wir nichts über ihren Kopf hinweg machen.“
Das beginnt damit, dass der Patient mit einer festgelegten Initialberührung begrüßt wird, etwa an der Schulter. Das schafft Vertrauen und lindert Ängste. „Dann erklären wir ihm, was wir machen. Es arbeitet immer nur eine Person im Zimmer und allein am Bett, damit der Patient nicht verwirrt wird“, erklärt Christine Scherer.
Wachkomapatienten werden mit Ruhephasen den ganzen Tag über aktiviert. Sie werden aus dem Bett mobilisiert, damit sie die Orientierung im Raum nicht verlieren. Sie werden in den Aufenthaltsraum gefahren, wo sich andere Patienten befinden, oder ins Freie. Sie sollen Licht, Luft, Geräusche und Düfte wahrnehmen. „Für die Pflege braucht man einen langen Atem. Aber jede kleine Veränderung motiviert uns. Und wir haben auch erlebt, dass jemand wieder in sein Berufsleben zurückkehren konnte“, sagt Christine Scherer.