Ein Hoch auf den Sozialstaat und seine Zahler
Die Zahl der Armen in Österreich geht zurück. Eigentlich wäre das ein Grund zum Feiern.
„There’s no such thing as society.“– „Es gibt keine Gesellschaft.“Mit diesem berühmt gewordenen Ausspruch drückte die britische Premierministerin Margaret Thatcher einst ihre Überzeugung aus, dass für sein Wohlergehen jeder Einzelne selbst verantwortlich sei. Österreich hat diesen neoliberalen Ansatz nie verfolgt. Österreich ist einer der am höchsten entwickelten Wohlfahrtsstaaten der Welt.
Das zeigt zum Beispiel der sogenannte Gini-Koeffizient, der weltweit die Einkommensverteilungen misst. Österreich landet in dieser Reihung regelmäßig auf den vorderen Plätzen. Das heißt, es gibt wenige andere Staaten, in denen die Einkommensverteilung so gleichmäßig ist und in denen eine so starke Umverteilung stattfindet wie in Österreich.
Dadurch sinkt die Armut. Die am Donnerstag dazu vorgestellten Daten sind eindrucksvoll: In zehn Jahren ist die Zahl der „Armuts- und Ausgrenzungsgefährdeten“(so heißt das in der Sprache der Statistik) um 187.000 gesunken. Allein im Vorjahr konnte sie dank des Wohlfahrtsstaats und der guten Wirtschaftslage um 50.000 gesenkt werden.
Man würde meinen, dass diese Nachricht – immerhin ein schöner Leistungsausweis des Sozialstaats – gebührend gefeiert oder zumindest anerkannt wird. Dem ist aber nicht so. Der Tenor der Berichte lautet vielmehr, dass immer noch 1,5 Millionen Menschen in Österreich arm und ausgegrenzt seien. Der dabei unausgesprochen mitschwingende Vorwurf lautet: eiskalter Neoliberalismus!
Der Sozialstaat hat ein Marketingproblem. Es wird immer nur über seine Lücken gesprochen, nie über seine Leistungen. Wirklich anerkannt scheint er nur im Ausland zu sein, sonst würden sich nicht so viele Zuwanderer in Österreich niederlassen wollen. Im Inland hingegen gelten die Sozialleistungen in der öffentlichen Debatte immer als ungenügend. Das ist parteitaktisch irgendwie verständlich, denn das Soziale ist eines der großen Kampffelder der Politik, und mit dem Versprechen neuer sozialer Wohltaten gewinnt man Wahlen. Aber gerecht wird man dem österreichischen Wohlfahrtsstaat damit nicht. Im internationalen Vergleich gibt es, wie erwähnt, kaum einen besseren. Und im Budget ist das Soziale der mit Abstand größte Ausgabenposten.
Es wäre daher an der Zeit, den Sozialstaat einmal zu loben – und auch seine Nettozahler. Also all jene, die von ihrem Einkommen etwas abgeben, um den sozialen Frieden im Land zu sichern und anderen ein besseres Leben zu ermöglichen.