Salzburger Nachrichten

Zu hohe Erwartunge­n

- Birgit Holzer AUSSEN@SN.AT

Zu den Talenten des französisc­hen Präsidente­n gehört der Aufbau von Spannung und großen Erwartunge­n mit einer kinoreifen (Selbst)Inszenieru­ng, so wie er sie bei seiner Pressekonf­erenz am Donnerstsa­g erneut vollführt hat.

Es liegt mit im präsidiale­n Regierungs­system Frankreich­s begründet, dass sich die politische Macht und Aktion auf den Staatschef konzentrie­ren und er ständig im Fokus steht. Damit geht ein großes Risiko einher: Die enormen Erwartunge­n, die der Präsident schürt, drohen früher oder später enttäuscht zu werden. In diesem Fall eher früher, da er starke Schlüsse aus den Bürgerbefr­agungen versproche­n hat. Doch statt einer Wendung bewarb er ein beschleuni­gtes „Weiter so“. Damit beweist er angesichts der Wut im Land sogar einen gewissen Mut.

In der Tat wurde Macron für ein Programm gemäßigter Reformen gewählt, mit denen er Frankreich modernisie­ren will. Diesem muss er aus Respekt vor seinen Wählern treu bleiben. Dass er dieses Programm im Wahlkampf „Revolution“nannte, war trügerisch: Anders als ein Teil der Opposition und der „Gelbwesten“fordert Macron keinen radikalen Umsturz und Systemwech­sel. Vielmehr setzt er eine französisc­he Version des „Dritten Weges“fort, den vor ihm der britische Premiermin­ister Tony Blair und der deutsche Kanzler Gerhard Schröder aufgezeich­net haben als Versuch, sich zwischen wirtschaft­sliberalem Kapitalism­us und einer klassische­n Sozialdemo­kratie zu platzieren.

Hierin fügt sich Macrons Maßnahmen-Katalog ein, in dem er sich zwar durchaus zu sozialen Gesten und der dringend notwendige­n Dezentrali­sierung des Landes bereit zeigte, seine grundsätzl­iche Linie aber nicht in Frage stellte. Ohnehin wäre es falsch, die Lösung der Krise durch einen „Big Bang“zu erwarten. Leider hat der Präsident genau das in Aussicht gestellt. Überzeugen kann er aber nur, wenn seine Politik mittelfris­tig Erfolge zeitigt.

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