Zu hohe Erwartungen
Zu den Talenten des französischen Präsidenten gehört der Aufbau von Spannung und großen Erwartungen mit einer kinoreifen (Selbst)Inszenierung, so wie er sie bei seiner Pressekonferenz am Donnerstsag erneut vollführt hat.
Es liegt mit im präsidialen Regierungssystem Frankreichs begründet, dass sich die politische Macht und Aktion auf den Staatschef konzentrieren und er ständig im Fokus steht. Damit geht ein großes Risiko einher: Die enormen Erwartungen, die der Präsident schürt, drohen früher oder später enttäuscht zu werden. In diesem Fall eher früher, da er starke Schlüsse aus den Bürgerbefragungen versprochen hat. Doch statt einer Wendung bewarb er ein beschleunigtes „Weiter so“. Damit beweist er angesichts der Wut im Land sogar einen gewissen Mut.
In der Tat wurde Macron für ein Programm gemäßigter Reformen gewählt, mit denen er Frankreich modernisieren will. Diesem muss er aus Respekt vor seinen Wählern treu bleiben. Dass er dieses Programm im Wahlkampf „Revolution“nannte, war trügerisch: Anders als ein Teil der Opposition und der „Gelbwesten“fordert Macron keinen radikalen Umsturz und Systemwechsel. Vielmehr setzt er eine französische Version des „Dritten Weges“fort, den vor ihm der britische Premierminister Tony Blair und der deutsche Kanzler Gerhard Schröder aufgezeichnet haben als Versuch, sich zwischen wirtschaftsliberalem Kapitalismus und einer klassischen Sozialdemokratie zu platzieren.
Hierin fügt sich Macrons Maßnahmen-Katalog ein, in dem er sich zwar durchaus zu sozialen Gesten und der dringend notwendigen Dezentralisierung des Landes bereit zeigte, seine grundsätzliche Linie aber nicht in Frage stellte. Ohnehin wäre es falsch, die Lösung der Krise durch einen „Big Bang“zu erwarten. Leider hat der Präsident genau das in Aussicht gestellt. Überzeugen kann er aber nur, wenn seine Politik mittelfristig Erfolge zeitigt.