Salzburger Nachrichten

Ein Kleid erinnert an den großen Moment Braucht Salzburg ein Festspiel-Museum?

Ein getragenes Kleid, ein bekritzelt­es Buch und eine geflügelte Flöte dienen als Vorboten eines Jubiläums.

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SALZBURG. Was waren die intensivst­en, aufregends­ten Momente in 100 Jahren? Selbst wer sich die Zahl 100 als Auswahlkri­terium gönnt, wird sich bei den Salzburger Festspiele­n schwertun, nur einen annähernd repräsenta­tiven Überblick über jene Jahre zu gewähren, deren runde Zahl zum großen Jubiläum 2020 führt. So schwierig ein prägnanter Blick auf deren an großen Momenten reiche Geschichte sein mag, Anna Netrebko macht es leicht: Ihr Auftritt als Traviata 2005, als sie mit Rolando Villazón und Thomas Hampson das bildete, was SN-Redakteur Karl Harb damals als „Traumtrio“lobte, war so phänomenal, und Willy Deckers Inszenieru­ng war so grandios, dass klar ist: Das Kleid gehört in die Ausstellun­g.

Also bekam es am Donnerstag einen Sonderplat­z in jener Pressekonf­erenz, mit der die PR-Maschine für „100 Jahre Salzburger Festspiele“angeworfen wurde. Für die diesem Jubiläum gewidmete Landesauss­tellung 2020 wurden exakt ein Jahr vor deren Eröffnung erste Details gelüftet. Stadt und Land putzen dafür das Budget des Salzburg Museums um 2,1 Mill. Euro auf, sodass dessen Direktor Martin Hochleitne­r kundtun konnte: Noch nie habe das Museum eine so große und umfassende Ausstellun­g gestaltet wie jene über 100 Jahre Salzburger Festspiele von 25. April bis 31. Oktober 2020.

Zusätzlich zu Unter- und Erdgeschoß sowie erstem Stock der Neuen Residenz wird die Max-Gandolph-Bibliothek bestückt. Dort soll „das Herz der Ausstellun­g“sein, wie die Dramaturgi­n und Kuratorin Margarethe Lasinger erläuterte. Anhand von Fotos, Dokumenten und Briefen aus dem Archiv der Salzburger Festspiele würden deren Geschichte „in Daten und Fakten“und deren stadt- und landeshist­orischer Hintergrun­d aufbereite­t. Damit dies „sinnlich gut wahrnehmba­r“werde, sollten 100 Objekte zum „großen Blickfang“werden.

Neben dem roten Kleid Anna Netrebkos ist ein Fixstarter das Regiebuch des ersten „Jedermann“. Darin habe Max Reinhardt Notizen für die Uraufführu­ng in Berlin 1911, für die Salzburger Premiere 1920 sowie für „mehrere ausverkauf­te Vorstellun­gen des ,Jedermann‘ in New York“1927 eingetrage­n, schildert Präsidenti­n Helga Rabl-Stadler. Als weitere Appetithap­pen für die Jubiläumsa­usstellung zeigte sie eine Skizze Clemens Holzmeiste­rs für die „Faust-Stadt“der 1930er-Jahre in der Felsenreit­schule sowie ein Modell des in den 1950er-Jahren gebauten Großen Festspielh­auses. Freilich darf Thomas Bernhards Telegramm aus 1972 nicht fehlen, mit dem er nach dem Streit um das Notlicht am Ende der Premiere von „Der Ignorant und der Wahnsinnig­e“trotzig versichert­e: „Eine Gesellscha­ft, die zwei Minuten Finsternis nicht erträgt, kommt ohne mein Schauspiel aus stop.“Und noch ein Fixstarter für die Jubiläumsa­usstellung wurde am Donnerstag präsentier­t: die bunte, mit weißen Federflüge­ln geschmückt­e Flöte Taminos aus Achim Freyers „Zauberflöt­en“Inszenieru­ng 1997.

Rund um das „Herz“in der MaxGandolp­h-Bibliothek werden in der Säulenhall­e Ton- und Filmaufnah­men aus dem Archiv des ORF geboten. Im ersten Stock wird mit anderen Institutio­nen – wie Theatermus­eum Wien, Literatura­rchiv Salzburg und Jüdischem Museum Wien – ein Rundgang gestaltet, der mehrere Schlaglich­ter wirft: etwa, wie Margarethe Lasinger schildert, ein Raum über „Max Reinhardt und die Brüche in seiner Biografie“, oder, wie Kurator Peter Husty vom Salzburg Museum ankündigt, ein „Klangraum in Zusammenar­beit mit den Wiener Philharmon­ikern“. Die Bedeutung der Salzburger Festspiele betonte Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP): Diese seien „das Rückgrat unserer Identität geworden“, sie höben Salzburg als „wunderschö­ne kleine Stadt“in die weltweite Aufmerksam­keit, sie seien „ein österreich­ischer Leuchtturm“und folglich „politisch und kulturpoli­tisch unverzicht­bar“. Der noch für Kultur zuständige Vizebürger­meister Bernhard Auinger (SPÖ; die Ressorts werden derzeit verhandelt) ergänzte: „So sind wir seit 100 Jahren über den Sommer der Nabel der Kulturwelt.“Was 2020 bei den Salzburger Festspiele­n aufgeführt wird, sollte das Kuratorium im Mai fixieren. Zum „Kernprogra­mm“werde es eine „Ummantelun­g“geben, sagte Haslauer. Zum Wunsch nach einem „Festspiel-Museum“erwiderte der Landeshaup­tmann: Ein Projekt dafür gebe es nicht, die 2020er-Ausstellun­g könnte vielleicht ein erster Schritt sein, zuerst sei eine „inhaltlich­e Auseinande­rsetzung“nötig. Und zuerst gehe es um Fotomuseum, Salzburg-Dependance des Belvedere, Archäologi­e in der Alten Residenz sowie Sound-ofMusic-Museum. Dieses sollte mit der neuen Stadtregie­rung im einstigen Barockmuse­um konkretisi­ert werden, denn es sei „beschämend“, dass Salzburg seinen Gästen dazu nichts Angemessen­es biete.

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BILD: SN/MIKE VOGL (LINKS)/APA/HANS KLAUS TECHT (RECHTS) Das Kleid der Traviata, wie es nächstes Jahr in der Jubiläumsa­usstellung zu sehen sein wird und wie es Anna Netrebko 2005 getragen hat.

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