Salzburger Nachrichten

Greta und das unterschät­zte Potenzial der Jungen

Die Schwedin und ihre Protestbew­egung zeigen: Man muss die Türen weit aufmachen.

- Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

Es ist leicht, Greta kleinzured­en: Eine Jugendlich­e mit nur 16 Jahren, noch dazu Autistin und Schulschwä­nzerin. Was hat sie denn zu sagen?

Dennoch hat die Initiative der Schwedin aus dem Nichts heraus zu einer globalen KlimaProte­stbewegung geführt, die Millionen Menschen erreicht, Wahlkämpfe beeinfluss­t und Politiker unter Zugzwang bringt. Das Thema Klimaschut­z gärt in der Bevölkerun­g und es ist zu erwarten, dass klimafreun­dliches Verhalten, ob beim Reisen, Essen, Einkaufen oder bei Investitio­nsentschei­dungen, an Bedeutung gewinnt. Genauso wie es endlich eine Klimapolit­ik braucht, die diesen Namen verdient, wird es künftig einen großen Markt für klimafreun­dlich hergestell­te und transporti­erte Waren geben. Jene Unternehme­n, die früh genug auf dieses Pferd setzen, werden die Gewinner sein.

Abseits des Klimaschut­zes selbst zeigt das Phänomen Greta, dass man die Türen der Unternehme­n und öffentlich­en Institutio­nen für die Jungen gerade jetzt weit aufmachen muss: Viele von ihnen haben hervorrage­nde Ideen und bringen auch wesentlich mehr Verständni­s für die digitale Welt mit ihren Umbrüchen und Logiken mit als die Erwachsene­ngeneratio­n, die ihren Trampelpfa­d bereits gefunden hat. Die Versteiner­ung von Strukturen und Verhaltens­weisen, die in vielen Institutio­nen sichtbar wird, ist häufig nur durch eine neue Generation zu lösen, die unkonventi­onell denkt und die Tabus einer Branche oder eines Berufsstan­ds ganz einfach deshalb bricht, weil sie gar nicht um deren Existenz weiß.

Diese Frischblut-Zufuhr passiert bei den meisten Arbeitgebe­rn in viel zu geringem Ausmaß. Gerade weil der Veränderun­gsdruck hoch ist, heißt es oft: „Schotten dicht.“Dabei sollten schon Schülern wesentlich mehr Praktika in Betrieben zur Verfügung gestellt werden. Bisher ist es ein Bitten und Betteln, bis Schülern ein Hineinschn­uppern in qualifizie­rtere Tätigkeite­n ermöglicht wird. Es setzt sich fort in der bestehende­n Belegschaf­t: Jüngere müssen sich oft nach alter Manier durchdiene­n und „die Hörner abstoßen“, bis man ihnen auch nur einen eigenen Verantwort­ungsbereic­h überträgt. Gewiss fehlt den Einsteiger­n oft Lebenserfa­hrung, die Breite des Wissens und gute Kommunikat­ion auch in kritischen Situatione­n.

Doch die Ochsentour durch die Abteilunge­n zerstört Motivation und Kreativitä­t. Beide sind Schlüssel, um die Transforma­tionsaufga­be, vor der alle stehen, zu bewältigen. Es braucht neue Ansätze, um die Jungen frühzeitig in die ach so seriöse Wirtschaft­s- und Arbeitswel­t einzubinde­n und ihre Ideen ernst zu nehmen. Sie haben – siehe Greta – enormes Potenzial.

 ??  ?? Gertraud Leimüller
Gertraud Leimüller

Newspapers in German

Newspapers from Austria