Greta und das unterschätzte Potenzial der Jungen
Die Schwedin und ihre Protestbewegung zeigen: Man muss die Türen weit aufmachen.
Es ist leicht, Greta kleinzureden: Eine Jugendliche mit nur 16 Jahren, noch dazu Autistin und Schulschwänzerin. Was hat sie denn zu sagen?
Dennoch hat die Initiative der Schwedin aus dem Nichts heraus zu einer globalen KlimaProtestbewegung geführt, die Millionen Menschen erreicht, Wahlkämpfe beeinflusst und Politiker unter Zugzwang bringt. Das Thema Klimaschutz gärt in der Bevölkerung und es ist zu erwarten, dass klimafreundliches Verhalten, ob beim Reisen, Essen, Einkaufen oder bei Investitionsentscheidungen, an Bedeutung gewinnt. Genauso wie es endlich eine Klimapolitik braucht, die diesen Namen verdient, wird es künftig einen großen Markt für klimafreundlich hergestellte und transportierte Waren geben. Jene Unternehmen, die früh genug auf dieses Pferd setzen, werden die Gewinner sein.
Abseits des Klimaschutzes selbst zeigt das Phänomen Greta, dass man die Türen der Unternehmen und öffentlichen Institutionen für die Jungen gerade jetzt weit aufmachen muss: Viele von ihnen haben hervorragende Ideen und bringen auch wesentlich mehr Verständnis für die digitale Welt mit ihren Umbrüchen und Logiken mit als die Erwachsenengeneration, die ihren Trampelpfad bereits gefunden hat. Die Versteinerung von Strukturen und Verhaltensweisen, die in vielen Institutionen sichtbar wird, ist häufig nur durch eine neue Generation zu lösen, die unkonventionell denkt und die Tabus einer Branche oder eines Berufsstands ganz einfach deshalb bricht, weil sie gar nicht um deren Existenz weiß.
Diese Frischblut-Zufuhr passiert bei den meisten Arbeitgebern in viel zu geringem Ausmaß. Gerade weil der Veränderungsdruck hoch ist, heißt es oft: „Schotten dicht.“Dabei sollten schon Schülern wesentlich mehr Praktika in Betrieben zur Verfügung gestellt werden. Bisher ist es ein Bitten und Betteln, bis Schülern ein Hineinschnuppern in qualifiziertere Tätigkeiten ermöglicht wird. Es setzt sich fort in der bestehenden Belegschaft: Jüngere müssen sich oft nach alter Manier durchdienen und „die Hörner abstoßen“, bis man ihnen auch nur einen eigenen Verantwortungsbereich überträgt. Gewiss fehlt den Einsteigern oft Lebenserfahrung, die Breite des Wissens und gute Kommunikation auch in kritischen Situationen.
Doch die Ochsentour durch die Abteilungen zerstört Motivation und Kreativität. Beide sind Schlüssel, um die Transformationsaufgabe, vor der alle stehen, zu bewältigen. Es braucht neue Ansätze, um die Jungen frühzeitig in die ach so seriöse Wirtschafts- und Arbeitswelt einzubinden und ihre Ideen ernst zu nehmen. Sie haben – siehe Greta – enormes Potenzial.