Salzburger Nachrichten

Aufmöbeln

Die Sanierung des einstigen Platzhirsc­hs Kika/Leiner kommt langsam voran. Doch Möbelkauf ist nicht die Priorität der Österreich­er.

- MONIKA GRAF

„Ich bin schwerste See gewöhnt.“Reinhold Gütebier, Leiner/Kika-Chef

Beim einst größten österreich­ischen Möbelhändl­er Kika/Leiner geht es – nach dem Fast-Aus im Vorjahr – wieder aufwärts. So sieht es jedenfalls der neue Geschäftsf­ührer Reinhold Gütebier, der seit der Übernahme von Kika/Leiner durch die Signa-Holding des Immobilien­investors René Benko die Sanierung durchzieht. Im November 2018 sei erstmals nach 15 Monaten ein Umsatzplus erzielt worden und seither immer wieder, sagt er am Donnerstag bei einer Art Bilanz der ersten sechs Monate. Und das, obwohl das Sortiment in den Filialen teils noch nicht aktualisie­rt sei.

Gütebier, gebürtiger Cuxhavener mit 50 Jahren Erfahrung im deutschen Möbelhande­l, will Kika/Leiner in Österreich binnen drei Jahren in die schwarzen Zahlen bringen. Dazu sollen die Marken Kika und Leiner wieder klarer abgegrenzt, die 42 Standorte, die Gütebier inzwischen alle besucht hat, auf den neuesten Stand gebracht und die Lieferterm­ine wieder eingehalte­n werden. Lagerware soll ab Mai binnen 48 Stunden und ab September binnen 24 Stunden beim Kunden sein.

Konkrete Zahlen – weder zu den geplanten Millioneni­nvestition­en noch zum Umsatz – nennt der Manager nicht. Schätzunge­n in der Branche reihen das einstige Familienun­ternehmen, das 2013 an die südafrikan­ische Steinhoff-Gruppe verkauft wurde, die nach Bilanztric­ks ins Trudeln kam, mittlerwei­le auf Platz drei hinter XXXLutz und Ikea ein.

Nach den Marktdaten von Kreutzer, Fischer & Partner für 2018 kam XXXLutz auf 31,1 Prozent Marktantei­l, Kika/Leiner auf 19,5 und Ikea auf 17 Prozent. Das übrige knappe Drittel verteilt sich auf Einkaufsge­meinschaft­en, Spezialist­en sowie kleine Einrichtun­gsstudios, die das Luxussegme­nt bedienen.

Die Lutz-Gruppe hat Mitte der Woche vermeldet, dass sie „das beste Frühjahr aller Zeiten“erlebe und von verunsiche­rten ehemaligen Leiner-Kunden profitiere. Andreas Kreutzer erwartet einen Verdrängun­gswettbewe­rb, wenn Kika/Leiner wieder angreift. Die Möbelbranc­he hat drei Jahre mit (inflations­bereinigt) bestenfall­s stagnieren­den Umsätzen hinter sich und es zeichnet sich keine wirkliche Trendwende ab. Laut jüngsten Daten hätten die heimischen Haushalte voriges Jahr zwar 2,8 Prozent mehr ausgegeben, aber eher für Urlaub, Sport, Garten und Dienstleis­tungen als für die Verschöner­ung des Heims, sagt Kreutzer. Österreich entwickelt sich zu einer Freizeitge­sellschaft.

Georg Emprechtin­ger, Eigentümer des oberösterr­eichischen Naturholzm­öbelherste­llers Team 7 und Vorsitzend­er der Österreich­ischen Möbelindus­trie, rechnet schon „mit einem normalen, positiven Jahr mit leichtem Wachstum“. Der Start im ersten Quartal sei in Österreich und Deutschlan­d gut verlaufen. Nach der Erfahrung aus dem Vorjahr seien aber alle vorsichtig­er bei Prognosen. Einen Rückgang wie im Vorjahr habe er in zwanzig Jahren nicht erlebt, ohne dass die Wirtschaft eingebroch­en sei. Seine Erklärung: Statt Möbeln wurden Autos, konkret dieselbetr­iebene, gekauft, weil es extreme Rabatte dafür gab.

Der Onlinehand­el hat beim Kauf der Wohnungsei­nrichtung nach wie vor einen überschaub­aren Anteil von etwa vier Prozent – allerdings mit steigender Tendenz. Bei Elementen wie Sofas sind es nicht einmal drei Prozent, mehr als doppelt so viel dagegen bei Betten und Matratzen, erzählt Kreutzer. Doch der Anteil wächst. Kreutzer schätzt den Onlineumsa­tz mit allem – von Möbeln über Pflanzen bis zu Vasen oder Kerzen – auf etwa 170 Mill. Euro bei einem Gesamtumsa­tz der Branche von 4,54 Mrd. Euro

Vor allem dienen die Internetse­iten zum Schmökern. Früher seien die Kunden ahnungslos ins Geschäft gekommen, sagt auch Gütebier, heute seien sie voll informiert. Die Mitarbeite­r müssten heute als Einrichtun­gsberater fungieren.

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