„Manchmal reorganisiert sich das Gehirn“
Friedemann Müller ist Neurologe und Chefarzt der Schön Klinik in Bad Aibling, in der eine Komapatientin nach 27 Jahren aufgewacht ist. Wie ist das möglich?
SN: Kann man in diesem Fall von einem Jahrhundertereignis sprechen? Müller: Ich würde das nicht als Jahrhundertereignis bezeichnen. Es gibt auch andere Fälle, wie Terry Wallis aus den USA, der nach 19 Jahren aufgewacht ist. Aber es ist extrem selten. SN: Gibt es medizinische Erklärungen, wie das nach so langer Zeit möglich ist? Eine objektive Erklärung, die belastbar ist, haben wir alle nicht. Manchmal laufen Reorganisationsvorgänge im Gehirn ab und manchmal nicht. Wie man die stimulieren kann, glauben wir ungefähr zu wissen. SN: Legt das Gehirn plötzlich einen Schalter um, bilden sich neue Schaltstellen? Wir konnten unsere Patientin nicht in einen Kernspintomographen legen, daher wissen wir es bei ihr nicht. Bei Terry Wallis hat man gesehen, dass sich neue Faserverbindungen gebildet hatten. Da finden sicher auch biologische Vorgänge statt. In unserem Fall haben wir konsequent die Regeln angewendet, mit viel Erfahrung und vielen Versuchen. SN: Welche Komapatienten haben die größte Chance, wieder aufzuwachen? Jüngere Menschen haben größere Chancen als ältere. Schädelhirntrauma-Patienten nach Unfällen oder nach Schlaganfällen haben bessere Chancen als Patienten, die nach einem HerzKreislauf-Stillstand mit Sauerstoff unterversorgt waren.